Nach einem Unfall haben der Verursacher und dessen Versicherer dafür zu sorgen, dass der Zustand wiederhergestellt wird, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre – so steht es zumindest in § 249 BGB.
Mit anderen Worten: Geschädigte sind so zu stellen, wie sie vor dem Unfall gestanden haben.
So war es auch in einem Sachverhalt, über den der BGH bereits am 29.10.2019 zu entscheiden hatte und bei dem die Berücksichtigung von Großkundenrabatten im Zentrum stand (Az. VI ZR 45/19).
Die Entscheidung liegt zwar schon ein paar Monate zurück, sie kommt jedoch jetzt so langsam, aber sicher im Regulierungsalltag und bei den Instanzgerichten an. Die Auswirkungen sind weitreichend und bei Nichtberücksichtigung drohen erhebliche und unangenehme Konsequenzen.
Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage, ob bei einer fiktiven Schadenabrechnung auch Rabatte zu berücksichtigen sind, die Großkunden üblicherweise für Fahrzeugreparaturen bei markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt erhalten und die sie ohne weiteres auch für Unfallreparaturen nutzen könnten. In dem zu entscheidenden Fall war die Geschädigte, eine international tätige Autovermietung, mit einer dementsprechend großen Fahrzeugflotte. Ihre Ansprüche hatte sie fiktiv, auf Basis der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, beziffert. Den Rabatt, den sie üblicherweise bei jeder anderen Reparatur erhält, hatte sie dabei nicht angegeben.
Rabatte sind bei der Schadenkalkulation zu berücksichtigen und vom Geschädigten bereits bei der Bezifferung des Schadens ungefragt offen zu legen! Der BGH begründet das mit der Gesetzessystematik. Geschädigte haben – das steht vollkommen außer Frage – Anspruch auf eine vollständige Beseitigung des eingetretenen Schadens. Dem Willen des Gesetzgebers zufolge, sollen Sie an dem Schaden aber auch nicht “verdienen” – und genau darum geht es in der vorliegenden Entscheidung.
Wenn Geschädigte also Vergünstigungen haben, die sie typischerweise und ohne besondere Anstrengungen in Anspruch nehmen können, dann müssen diese auch im Rahmen der Schadensabwicklung berücksichtigt werden. Alles andere – wie eben der Verzicht auf üblicherweise eingeräumte Rabatte – wäre wirtschaftlich objektiv unvernünftig, so der BGH. Derjenige, dem die Werkstatt bei einer Inspektion oder einer Reparatur standardmäßig Vergünstigungen einräumt, muss diese auch bei einer unfallbedingten Reparatur (bei der nicht er selbst, sondern ein Dritter den Schaden ersetzen muss) in Anspruch nehmen.
Wenn ein Gutachten derartige Rabatte nicht berücksichtigt, wird es der Versicherer – ähnlich wie bei einem nicht aufgeführten Vorschaden – mit großer Wahrscheinlichkeit als unbrauchbar
einstufen. Die Folge des Fehlens entsprechender Angaben ist dann, dass der Versicherer die Kosten des Gutachtens nicht erstatten muss, weil dieses Gutachten unvollständig und damit als Kalkulationsgrundlage für die Schadenregulierung unbrauchbar ist. Darüber hinaus setzt sich ein Geschädigter, der einen Schaden ohne Berücksichtigung ihm bekannter, üblicher Rabatte beziffert, dem Risiko der Begehung eines strafrechtlich relevanten Betruges aus. Geschädigte, aber auch Autohäuser, Flotten und Fuhrparks sowie die jeweils Verantwortlichen, sollten bei der Schadensabwicklung daher nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die strafrechtlichen Aspekte im Auge behalten.
Dies gilt übrigens nicht nur für Großkunden, sondern auch für alle anderen Kundengruppen, denen üblicherweise entsprechende Vergünstigungen zur Verfügung stehen. Dies können z.B. die Betreiber von Taxen, behindertengerecht umgebauten Fahrzeugen, landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Behörden- und Einsatzfahrzeugen oder Fahrschulautos sein. Immer dort, wo Kundengruppen üblicherweise Rabatte eingeräumt werden, sind diese Rabatte vom Geschädigten ungefragt an den Schädiger weiterzugeben.
Das AG München hat mit Urteil vom 23.08.12021, Az. 331 C 7555/21 festgestellt, dass Geschädigte nicht dazu verpflichtet sind, einen Rabatt auszuhandeln. Selbst die Schadensminderungspflicht ändert daran nichts (vgl. AG Siegburg, Urt. v. 17.03.2022, Az. 122 C 144/21).
Behauptet ein Versicherer das Vorliegen einer Rabattvereinbarung, müssen nachvollziehbare dafür Anhaltspunkte bestehen. Fehlen diese, ist die Behauptung als “ins Blaue hinein” zu werten. Das Gericht muss ihr dann nicht nachgehen (vgl. AG Ibbenbühren, Urt. v. 13.03.2020, Az. 3 C 5/20; AG Köln, Urt. v. 21.06.2016, Az. 268 C 71/16; AG Frankfurt/Main, Az. 32 C 263/16 (13), v. 22.04.2016).
Für Behauptungen in Prüfberichten gilt dasselbe (vgl. AG Leer, Beschl. v. 27.04.2021, Az. NZS 700 C 927/20). Dies ändert allerdings nichts daran, dass Sachverständige etwa gewährte Rabatte zu berücksichtigen haben. Unterbleibt dies, setzen sie sich dem Vorwurf der Unbrauchbarkeit des Gutachtens aus.
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