Prüfberichtrechtfertigt Kürzung nicht
Nach einem Verkehrsunfall lautet der Grundsatz, dass dem Geschädigten der entstandene Schaden zu ersetzen ist. Allerdings sind Versicherer in ihrer Kreativität – weshalb bestimmte Positionen einer Reparaturrechnung nicht zu erstatten seien – kaum zu übertreffen. Häufig werden sogenannte Prüfberichte
vorgeschoben, um den Anschein von Seriosität bei den Ablehnungsgründen zu wecken. Das Amtsgericht (AG) Hamburg-Blankenese ließ sich in seinem Urteil vom 21.07.2017 (Az.: 532 C 110/17) davon jedoch unbeeindruckt und entschied zu Gunsten des Geschädigten.
Was war passiert?
Der Unfallgegner missachtete als wartepflichtiger Linksabbieger die Vorfahrt des Geschädigten, so dass es zum Unfall kam. Die Haftung fiel somit vollständig zu Lasten des Unfallgegners aus. Der Geschädigte holte für seinen Fahrzeugschaden ein Sachverständigengutachten ein und ließ das Fahrzeug anschließend nach den Vorgaben im Gutachten reparieren.
Nichtsdestotrotz verweigerte der Versicherer des Schädigers den vollständigen Ausgleich des Schadens. Unter Bezugnahme auf einen von ihm eingeholten Prüfbericht erstattete er Entsorgungskosten in Höhe von 12,00 Euro netto sowie Lackvorbereitungskosten in Höhe von 549,12 Euro netto nicht – bei letzteren vor allem mit dem Argument, dass diese in der Reparaturrechnung doppelt abgerechnet seien. Und so blieb dem Geschädigten nur noch der Gang vor Gericht.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht sprach dem Geschädigten den vollständigen Schadensersatz zu. Es bezog sich in seiner Begründung auf den vom Bundesgerichtshof entwickelten subjektiven Schadensbegriff, wonach der Geschädigte (
) den Geldbetrag ersetzt verlangen kann, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeuges erforderlich ist
. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er sich – aufgrund fehlender eigener Sachkunde – auf das Wissen und die Angaben von Fachleuten wie einem Sachverständigen oder der Werkstatt verlassen darf.
Nach genauerer Überprüfung des Gutachtens und der Reparaturrechnung auf doppelt abgerechnete Positionen – wie sie vom Versicherer auf Grundlage des Prüfberichts eingewandt wurden – kam das Gericht zu dem Schluss: Für die Lackierung sind sowohl im vorab eingeholten Gutachten (
) als auch in der Rechnung (
) lediglich beim Kotflügel V.R. Vorbereitungsarbeiten in Ansatz gebracht (
). Bei keiner der übrigen Lackpositionen sind Vorbereitungsarbeiten in Ansatz gebracht worden, so dass der Einwand der Beklagten, die Kosten seien nicht erforderlich, weil hier Arbeiten doppelt ausgeführt und abgerechnet würden, ersichtlich nicht zutrifft.
Hinsichtlich der Entsorgungskosten war die Begründung noch deutlicher: Der Geschädigte konnte mit dem Gutachten darlegen, dass die beschädigten Teile entsorgt werden mussten und mit der Rechnung die Kosten auch tatsächlich angefallen sind. Konkrete Einwendungen hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben, sondern die Position schlichtweg gestrichen.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Dieses Urteil verdeutlicht einmal mehr die alltägliche Praxis der Versicherer: Positionen werden ohne Angabe von Gründen gestrichen oder vermeintliche Prüfberichte
als fadenscheinige Gründe vorgeschoben. Für einen technischen Laien, der dann zwischen den Stühlen sitzt und verunsichert wird, wer denn jetzt in der technischen Frage Recht hat, entsteht eine missliche Lage. Vertraut er seiner Werkstatt? Oder doch dem Prüfbericht? Oftmals werden vor allem kleinere Positionen gestrichen, in der Hoffnung, dass der Geschädigte sich damit abfindet.
Mit einem erfahrenen Rechtsanwalt sind Sie gut beraten. Die Anwälte der ETL Kanzlei Voigt kennen die Tricks und Kniffe der Versicherer, die Sie um Ihren berechtigten Anspruch bringen könnten, und kämpfen für Ihr Recht. Lassen Sie sich mit einem Prüfbericht
nicht abspeisen.