Mit Urteil vom 12.10.2016 (Az.: VIII ZR 55/15) kommt der Bundesgerichtshof (BGH) zu dem Schluss, dass ein online gekaufter Katalysator bei einem Widerruf nach (kurzer) Probefahrt eine Wertverschlechterung erleidet, die dem Verkäufer zu ersetzen ist. Der Kaufpreis wird dem Käufer also nicht vollständig erstattet.
Sachverhalt
Der Käufer erwarb von der Verkäuferin in deren Onlinehandel für Autoteile im Februar 2012 einen Katalysator für circa 350 Euro mit Montagesatz für circa 18 Euro, zuzüglich Versand für 17 Euro – insgesamt also 385 Euro. Die E-Mai, die den Versand der Ware bestätigte, enthielt eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung.
Kurz nach der Lieferung ließ der Käufer den Katalysator von einer Fachwerkstatt einbauen. Bei einer kurzen Probefahrt im Anschluss stellte der Käufer fest, dass sein Fahrzeug nicht mehr die Leistung erbrachte wie es vor dem Einbau der Fall war. Daher widerrief er den Kauf fristgerecht er E-Mail und Schreiben, welchem er auch die gelieferte Ware beilegte.
Die Rückzahlung des Kaufpreises wurde von der Beklagten verweigert. Zur Begründung führte sie an, dass der Katalysator durch deutliche Einbau- und Gebrauchsspuren eindeutig in Gebrauch genommen worden und damit wertlos sei. Ihr sei dadurch ein Wertersatzanspruch entstanden, den sie aufrechne.
Damit gab sich der Käufer nicht zufrieden und zog vor Gericht. Das Amtsgericht bestätigte seine Auffassung, wogegen die Verkäuferin in Berufung ging. Dort gab man ihr teilweise Recht – das Landgericht sah einen Wertersatzanspruch der Verkäuferin als gegeben. Das schmeckte wiederum dem Käufer nicht, der in Revision vor den BGH zog.
Entscheidung des Gerichts
Nach Auffassung der Karlsruher Richter steht dem Verbraucher im Falle eines Fernabsatzvertrages (zu dem der Onlinehandel zählt) zunächst die Möglichkeit zu, die gelieferte Ware in Augenschein zu nehmen und zu überprüfen. Anders als im traditionellen Handel (Ladengeschäft) kann er beim Onlinehandel die Ware gerade nicht einer Prüfung unterziehen. Zwar könne im Ladengeschäft die Ware nicht unbedingt ausgepackt, aufgebaut oder ausprobiert werden, aber es stünden in der Regel Musterstücke in der Ausstellung, um sich einen unmittelbaren Eindruck von der Ware zu verschaffen.
Das Gesetzt räumt dem Verbraucher die Möglichkeit ein, die Ware auf ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise zu prüfen. Dem Prüfungsrecht
sind allerdings Grenzen gesetzt. Werden diese überschritten, steht ein Erstattungsanspruch in Höhe des Wertverlustes zu. Das Gericht hatte noch nach der alten Fassung (a.F.) des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB zu entscheiden. Diese Regel findet sich nunmehr in § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB neue Fassung (n.F.).
Das Gericht begründete seine Entscheidung, dass auch im Ladengeschäft der Katalysator nicht hätte eingebaut und zur Probe gefahren werden können. Vielmehr sei auch dort der Käufer auf ein Anfassen und Betrachten der Ware beschränkt – vor allem einem Vergleich der unterschiedlichen Modelle sowie des alten Katalysators.
Eine darüber hinausgehende Prüfungsmöglichkeit im Onlinehandel würde zu einer Ungleichbehandlung führen, die von dem Prüfungsrecht
gerade nicht gewollt war. Beabsichtigt war durch die Regelung dem Käufer die Möglichkeiten zu schaffen, die er im Ladengeschäfft hätte und aufgrund der Natur des Onlinehandels nicht hatte.
Offen geblieben ist jedoch die Frage, ob der Käufer auf die Möglichkeit eines Wertersatzes auch ordnungsgemäß hingewiesen wurde, wie das Gesetz es fordert. Zur Prüfung dieser Voraussetzung wurde das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen.
Kanzle Voigt Praxistipp
Auch wenn im Onlinehandel in zahlreichen Punkten Zugeständnisse zu Gunsten des Verbrauchers gemacht werden, so gelten diese nicht uneingeschränkt. Meistens liegen die Grenzen dort, wo sie auch im Ladengeschäft zu finden wären. Mit einer gesunden Vorsicht sollte nichts falsch laufen.
Für den Fall, dass die Ware tatsächlich nicht den Vorstellungen entspricht, kann es lohnenswert sein einen Fachmann hinzuzuziehen: Hätte der Käufer nicht eindeutig und in beiden Mitteilungen an die Verkäuferin von Widerruf des Kaufvertrages
gesprochen, wäre – so auch in den Ausführungen des Gerichts – Raum für einen Rücktritt wegen Sachmangels gewesen. Damit wäre auch zu erwägen, ob gerade kein Wertersatzanspruch zusteht, weil der Katalysator ordnungsgemäß in Gebrauch genommen wurde.