BGH-Urteil vom 03.12.2024, Az. VI ZR 117/24
So war es bei einem Fall, in dem der Versicherer die Erstattung von Mietwagenkosten mit der Begründung verweigerte, die Prüfplakette des beschädigten Fahrzeugs sei zum Zeitpunkt des Unfalls ungültig gewesen.
Der Pkw des späteren Klägers hatte bei einem Verkehrsunfall einen Totalschaden erlitten. Das Verschulden des Unfallgegners stand fest und eigentlich hätte alles ganz einfach ablaufen können. Dass es anders kam lag an dem Versicherer, der die Erstattung der Mietwagenkosten unter Hinweis auf die überfällige Hauptuntersuchung ablehnte.
Im anschließenden Rechtsstreit sprach das Amtsgericht den Anspruch zu, das Landgericht lehnte ihn ab. Zwar ordnete auch das Landgericht die Mietwagenkosten dem Herstellungsaufwand und damit den Aufwendungen zu, die der Schädiger dem Geschädigten zu ersetzen hat.
Es vertrat jedoch die Auffassung, dass ein Ersatz für die Ausfallzeit schon deshalb zu leisten sei, weil das unfallbeschädigte Fahrzeug – mangels Haupt- und Abgasuntersuchung – gar nicht im Straßenverkehr hätte benutzt werden dürfen. Und da das Fahrzeug behördlich hätte stillgelegt werden können, also ohnehin keine Nutzungsmöglichkeit bestanden hätte, sei die Anmietung des Ersatzfahrzeuges nicht wegen, sondern nur aus Anlass des Verkehrsunfalls erfolgt.
Unter Hinweis auf Aspekte der Verkehrssicherheit und die Missbilligung der Nutzung eines Fahrzeugs ohne Prüfplakette durch die Rechtsordnung wollte das Landgericht daher weder einen geldwerten Nutzungsvorteil noch einen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten anerkennen.
Es dürfe nicht darauf ankommen, ob das Fahrzeug – trotz ungültiger Plakette – vor dem Unfall verkehrssicher gewesen sei oder nicht.
Zur Verkehrssicherheit des Fahrzeugs machte das Gericht keine Ausführungen.
Aus Sicht des BGH wäre aber gerade die Verkehrssicherheit ein entscheidender Anknüpfungspunkt gewesen. Da das Urteil des Landgerichts hierzu aber keine Angaben machte, unterstellte der BGH die Verkehrssicherheit des beschädigten Fahrzeugs.
Und anders als bei einem Fahrzeug, bei dem die Hauptuntersuchung bereits mehrere Jahre überfällig war (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.01.2024, Az. 3 M 99/23), konnte der BGH bei einer Überschreitung von sechs Monaten noch keinen zwingenden Grund für die Annahme der Verkehrsunsicherheit erkennen.
Nach Auffassung des BGH kann die Nutzung eines (verkehrssicheren) Pkw bei Überschreitung der Frist zur Vorführung zur Haupt- und Abgasuntersuchung nur dann rechtswidrig sein, wenn eine Behörde den Betrieb des Fahrzeugs untersagt oder beschränkt hat.
Diese Auffassung macht schon deshalb Sinn, weil ein Fahrzeug, das die Untersuchung nicht bestanden hat, bei dem aber keine Verkehrssicherheitsbedenken bestehen, so dass es sofort hätte stillgelegt werden müssen, auch mit abgelaufener Plakette bis zur Wiedervorführung gefahren werden darf.
Die Behauptete Wertlosigkeit der tatsächlichen Nutzung konnte der BGH schon deshalb nicht erkennen, weil – abgesehen von dem Ermessensspielraum, der einer Behörde bei einer Stilllegungsverfügung zusteht – der Geschädigte das Fahrzeug bis zu einem – hypothetischen – Tätigwerden der Behörde rechtmäßig nutzen konnte und durfte.
Für den BGH stand damit fest: Da die rechtmäßige Nutzungsmöglichkeit erst durch den Unfall, nicht aber durch die ungültige Prüfplakette entfallen war, hatte der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten.
Eine abgelaufene Prüfplakette kann nicht nur bußgeldrechtlich, sondern auch schadensersatzrechtlich eine Rolle spielen. Wie das Urteil zeigt, sind sich aber auch die Gerichte über das „ob“ und „wann“ nicht einig. Das Urteil zeigt aber auch, dass es sich lohnen kann, auch bei einem ablehnenden Urteil nicht klein beizugeben.
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