Wer einen Kaufvertrag über ein Fahrzeug abschließt, ist zunächst verpflichtet diesem Vertrag auch nachzukommen. Das gilt sowohl hinsichtlich des Käufers, der den Kaufpreis zahlen und das Fahrzeug annehmen muss, als auch hinsichtlich des Verkäufers, der das Fahrzeug übergeben und übereignen muss. Doch was passiert, wenn der Käufer zwar eine Anzahlung leistet, den Termin zur Abholung und vollständigen Kaufpreiszahlung mehrmals verschieben lässt? Kann ein Autohaus als Verkäufer dann vom Vertrag zurücktreten? Und was ist mit dem Mindererlös, wenn das Fahrzeug dann einen geringeren Kaufpreis einbringt? Mit dieser Frage befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 14.10.2020 (Az.: VIII ZR 318/19).
Was war passiert?
Ein Autohaus verkaufte am 04.07.2016 einen Jahreswagen für 63.000 Euro. Ein Bevollmächtigter der Käuferin leistete eine Anzahlung in Höhe von 11.970 Euro. Der restliche Kaufpreis sollte zwei Tage später bei der Abholung beglichen werden. Auf Bitte der Käuferin hin wurde der Termin um weitere zwei Tage auf den 08.07.2016 verschoben. Am 08.07.2016 teilte der Bevollmächtigte mit, dass er sich aufgrund eines Todesfalls außer Landes befände und erst in der folgenden Woche zurück sei. Dabei bat er um eine erneute Verlegung des Abholtermins.
Das Autohaus kam dem nach und setzte die Frist zur Abholung und Kaufpreiszahlung zu Montag, 11.07.2016 bis 15 Uhr. Gleichzeitig teilte es mit, dass es den Wagen andernfalls anderweitig veräußern müsse. Als am 11.07.2016 keine Reaktion der Käuferin erfolgte, erklärte das Autohaus am 13.07.2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Am selben Tag teilte die Käuferin mit, dass eine Abholung ab dem 18.07.2016 möglich sei. Allerdings erklärte das Autohaus am 16.07.2016, dass es sich einen Schadensersatzanspruch vorbehalte und verkaufte den Wagen am 18.07.2016 anderweitig, was es der Käuferin auch mitteilte.
Die Anzahlung wollte das Autohaus abzüglich eines Schadens in Höhe von 4.727,50 Euro erstatten – den Betrag, um den der Kaufpreis beim zweiten Verkauf geringer ausgefallen war. Die Käuferin wollte sich damit nicht zufrieden geben, forderte die vollständige Erstattung und zog letzten Endes vor Gericht. Sowohl das Amtsgericht (AG) als auch das Landgericht (LG) Köln gaben der Käuferin Recht. Das Autohaus legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH wertete die Rücktrittserklärung des Autohauses – wie auch die Instanzen davor – als unwirksam. Grund dafür war die deutlich zu kurz bemessene Frist zur Zahlung des restlichen Kaufpreises und zur Abholung, die das Autohaus zunächst bis zum 11.07.2016 gesetzt hatte. Die Voraussetzungen für eine wirksame Rücktrittserklärung hätten daher am 13.07.2016 jedenfalls noch nicht vorgelegen, zumal vertraglich kein Rücktrittsrecht eingeräumt wurde. Auch lag kein Anhaltspunkt vor, um anzunehmen, dass die Fristsetzung entbehrlich gewesen sei.
Ein Anspruch des Autohauses auf Schadensersatz lag daher nicht vor – trotz einer Pflichtverletzung der Käuferin. Denn laut den Urteilsgründen habe das Autohaus es versäumt der Käuferin das Fahrzeug bis zum Ablauf der angemessenen Nachfrist anzubieten.
Eine angemessene Nachfrist sei durch die zu kurz bemessene Frist in Gang gesetzt worden. Diese sei zum 18.07.2016 jedoch noch nicht abgelaufen, so dass auch das Schadensersatzverlangen vom 16.07.2016 vor Ablauf der Nachfrist erklärt wurde – womit die Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch noch nicht vorlagen.
In der Folge bestätigte auch der BGH den Anspruch der Käuferin auf die restliche geleistete Anzahlung. Dieser sei nicht auf einen wirksamen Rücktritt des Autohauses zurückzuführen. Vielmehr begründet er sich in einer wirksamen Rücktrittserklärung der Käuferin, die spätestens konkludent in der Erhebung der Klage auf Rückerstattung der restlichen Anzahlung
zu sehen war.
Denn anders als dem Autohaus stand der Käuferin ein Rücktrittsrecht zu. Denn das Autohaus hatte seinen Teil des Kaufvertrages – Übereignung und Übergabe des Pkw – trotz Fälligkeit nicht erbracht.
Einer Fristsetzung bedurfte es nicht, denn spätestens durch den anderweitigen Verkauf hatte das Autohaus deutlich gemacht, dass es seinen Teil des Vertrages endgültig und ernsthaft verweigert.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Dieses Urteil zeigt, dass ein Autohaus zwar grundsätzlich vom Vertrag zurücktreten kann, wenn der Käufer seinen Pflichten nicht nachkommt. Allerdings setzt ein wirksamer Rücktritt voraus, dass dem Käufer eine angemessene Frist zur Zahlung und Abholung gesetzt wurde – sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Wie lang diese Frist zu bemessen ist, lässt sich pauschal nicht sagen und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im konkreten Fall sahen die Gerichte im Ergebnis mindestens 14 Tage als angemessen.
Um derartigen Problemen vorzubeugen und einem Mindererlös vorzubeugen, lohnt sich das frühzeitige konsultieren eines Rechtsbeistands. Häufig lassen sich so Unklarheiten aus dem Weg räumen, bevor es zur Klage kommt. Die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne zur Seite.