Der Bundesgerichtshof (BGH) kam mit Urteil vom 26.10.2016 (Az.: VIII ZR 211/15) zu dem Ergebnis, dass auch ein geringfügiger Lackschaden, der behebbar ist, den Käufer eines Neufahrzeuges berechtigen kann, den vollständigen Kaufpreis zurückzubehalten und die Fahrzeugannahme verweigern. Mit der Mangelbeseitigung verbundenen Kosten sind vom Kfz-Händler zu tragen.
Der Käufer erwarb von der Verkäuferin ein Neufahrzeug, das kostenfrei an den Wohnsitz des Käufers geliefert werden sollte. Das Fahrzeug wies bei der Auslieferung einen Lackschaden auf. Die von der Verkäuferin beauftragte Spedition vermerkte im Lieferschein: Kleine Delle Fahrertür, Kosten für Ausbesserung werden von [der Verkäuferin] übernommen.
Der Käufer erklärte, dass er den Wagen zurückweise
und gab den Kaufpreis nicht frei. Die Verkäuferin verlangte den vollständigen Kaufpreis, es läge lediglich ein Bagatellschaden
vor. Sie erhielt daraufhin einen Kostenvoranschlag vom Käufer, wonach Lackierkosten in Höhe von circa 530 EUR anfallen würden und erklärte sich bereit maximal 300 EUR zu übernehmen – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
Da es zu keiner Einigung kam, holte die Verkäuferin das Fahrzeug im August ab und lieferte es im Oktober mit behobenem Lackschaden beim Käufer aus. Dieser zahlte daraufhin den gesamten Kaufpreis. Die Verkäuferin machte jedoch noch 1.140 EUR an Transportkosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeugs, Standgeld
und Verzugszinsen auf den Kaufpreis geltend.
Sie scheiterte damit auf ganzer Linie.
Auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln – wie hier dem Lackschaden – muss der Käufer weder das Fahrzeug abnehmen, noch den Kaufpreis zahlen, bis der Mangel behoben ist, urteilte der BGH.
Nach den gesetzlichen Regelungen hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Mängeln zu verschaffen. Folgerichtig kann der Käufer die Abnahme des Fahrzeuges verweigern und den (gesamten) Kaufpreis zurückbehalten, was ebenfalls gesetzlich geregelt ist. Diese Rechte werden nicht bereits dadurch automatisch ausgeschlossen, dass der behebbare Mangel geringfügig ist. Ausnahmsweise können sie unter besonderen Umständen eingeschränkt sein, aber ein solcher Fall lag hier nicht vor.
Eigentlich wäre die Verkäuferin in der Pflicht gewesen den Schaden zu beheben, um dem Kaufvertrag ordnungsgemäß zu erfüllen. Stattdessen sagte sie die Übernahme der Reparaturkosten zu, jedoch beschränkt bis maximal 300 EUR. Die Karlsruher Richter sahen keinen Grund, weshalb der Käufer das Risiko der Werkstattkosten tragen sollte, wenn der Gesetzgeber das Risiko bewusst im Rahmen der Verkäuferpflichten sieht. Daher wies der BGH die Klage der Verkäuferin auch in letzter Instanz ab.
Auch die geltend gemachten Transportkosten und das Standgeld
seien erforderliche Aufwendungen, um den Kaufertrag ordnungsgemäß zu erfüllen. Damit seien sie ohnehin von der Verkäuferin zu tragen.
Nicht nur nach der Abwicklung des Kaufvertrages, sondern bereits bei der Fahrzeugübergabe lohnt sich ein prüfender Blick. Etwaige Mängel könnten zu einem Zurückbehaltungsrecht des Kaufpreises führen. Doch Achtung: Mangel ist nicht gleich Mangel! Denn auch wenn der BGH im vorliegenden Fall bei einem behebbaren, geringfügigen Mangel zu Gunsten des Käufers entschieden hat, kann der Einzelfall anders liegen.
Wichtig ist in jedem Fall auch das Verhalten des Verkäufers: Wie werden die Verkäuferpflichten wahrgenommen? Wird zum Beispiel ein gangbarer Lösungsweg vorgeschlagen, der partout vom Käufer abgelehnt wird, weil dieser auf einem anderen, unverhältnismäßig teuren Verfahren besteht, wird die Angelegenheit ganz anders zu bewerten sein.
Quelle: Pressemitteilung zum BGH-Urteil 26.10.2016, VII ZR 211/15