Ein Autofahrer nahm mit seinem Pkw außerhalb eines offiziellen Rennens an einem “Freien Fahren” auf der Nordschleife des Nürburgrings teil. Dort verunfallte er mit seinem Fahrzeug und forderte seinen Kaskoversicherer zur Regulierung des Schadens in Höhe von ca. 8.200 Euro auf.
Der Versicherer lehnte die Regulierung ab. Als Grund verwies er auf Ziffer A.2.17.4 der für den Vertrag geltenden AKB. Darin hieß es unter der Überschrift “Touristenfahrten”: “Kein Versicherungsschutz besteht für Touristenfahrten auf offiziellen Rennstrecken.”
Der Autofahrer hielt die Klausel für unwirksam und ging vor Gericht.
Das Landgericht (LG) Hagen (Beschl. v. 01.02.2017, Az. 20 U 213/16) wies das Begehren des Autofahrers ab. Dieser ging in Berufung. Vor dem OLG Hamm argumentierte der Autofahrer, dass das “Freie Fahren” keine “Touristenfahrt” gewesen sei. Zudem sei der Nürburgring vor Fahrtbeginn umgewidmet worden – von einer “öffentlichen Rennstrecke” in eine “mautpflichtige Einbahnstraße”. Dazu legte er die Fahrordnung und die Sicherheitsregeln des Nürburgrings vor.
Das OLG Hamm (Beschl. v. 08.03.2017, Az. I-20 U 213/16) teilte diese Auffassung nicht. Nach Auffassung der Richter war die Unglücksfahrt vom Versicherungsschutz – wirksam – ausgenommen. In den vom Autofahrer selbst vorgelegten Unterlagen (der Fahrordnung und den Sicherheitsregeln) wurde die Fahrt als “Touristenfahrt” bezeichnet.
Aus der Formulierung der Ausschlussklausel gehe – auch für den Laien verständlich – hervor, dass die Strecke während der “Touristenfahrt” nicht zwingend als offizielle Rennstrecke ausgewiesen sein muss. Vielmehr genüge es, wenn “die Strecke – wie hier – in Zeiten organisierter Veranstaltungen als offizielle Rennstrecke im Sinne einer Strecke für ein Rennen dient und auch außerhalb dieser Zeiten dem öffentlichen Verkehr nicht frei zugänglich ist.”
Schließlich sei der für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres erkennbare Sinn und Zweck der Klausel (
), das erhöhte Risiko von Unfällen im Rahmen freier Fahrten auf Rennstrecken auch außerhalb von offiziellen Rennveranstaltungen vom Versicherungsschutz auszuschließen.
Damit bestand kein Anlass die Klausel für unwirksam zu erklären.
Und so unterlag der Autofahrer auch in zweiter Instanz.
Mit einem Beschluss vom 20.06.2022 (Az. 20 U 139/22) hat das OLG Hamm erneut dargelegt, was es unter einer Motor-Rennstrecke versteht und unter welchen Umständen der Ersatz für dort erlittene Fahrzeugschäden ausgeschlossen ist.
In dem Verfahren ging es um die Einstandspflicht des Versicherers der Kaskoversicherers für einen Schaden am PKW des Klägers, als dieser während einer Fahrveranstaltung von der Strecke „X Y“ abkam und mit der Leitplanke kollidierte.
Im Kern ging es dabei um die Frage, ob die befahrene Strecke als Rennstrecke” im Sinne der Ausschlussklausel des Kaskoversicherers zu betrachten sei.
Im Gegensatz zum Kläger, der vortrug er habe an einem “organisierten Fahrsicherheitstraining” teilgenommen, ging das Gericht von einer Rennveranstaltung im Sinne der Ausschlussklausel aus. Ausschlaggebend mag dabei gewesen sein, dass der Schwerpunkt der Veranstaltung nicht auf Training im eigentlichen Sinne, sondern auf dem sogenannten “freien Fahren” bestand. Jedenfalls kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass “ein solches “freies Fahren” mit kurzer Einführung vorab in die Besonderheiten der Strecke und etwaigen weiteren Hinweisen ist kein organisiertes Fahrsicherheitstraining” sei.
Zur Definition einer „Motor-Rennstrecke“ heißt es in dem Beschluss, es sei nicht Voraussetzung, “dass dort zwingend Rennen im Sinne eines Wettbewerbs um die Platzierung stattfinden müssten. Es widerspräche dem erkennbaren Regelungszweck der Klausel, wenn etwa eine anerkannte Rennstrecke ihren Charakter als „Motor-Rennstrecke“ im Sinne der AKB nur deshalb verlöre, weil sie für den offiziellen Rennbetrieb stillgelegt wird. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass nach den Angaben des Zeugen Z auf der Strecke „X Y“ nur in den Jahren 2014 bis 2016 testweise einige Rennen dort stattfanden, die Strecke aber ansonsten über keine Genehmigung für solche Rennen verfügt. Entscheidend ist aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers vielmehr, dass die Strecke – was bezüglich des „X Y“ unstreitig der Fall ist – von ihrer Bauart her die typischen Elemente einer Rennstrecke (Rundkurs, kein Zugang für den allgemeinen Straßenverkehr, breite Streckenführung ohne Unterteilung in verschiedene Fahrspuren) aufweist. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird erkennen, dass der Versicherer nicht für die besonderen Gefahren einstehen will, die mit dem Fahren auf einer solchen Strecke verbunden sind und die sich von denjenigen unterscheiden, welche im allgemeinen Straßenverkehr auftreten.”
Der “Blick nach Süden”!
Von Interesse dürfte in diesem Zusammenhang auch eine Entscheidung des österreichischen OG vom 25.05.2022, Az. 7 Ob2/22b sein. Die Entscheidung betrifft zwar einen Fall aus der Unfallversicherung. Die Grundsätze zur Rennstrecke lassen sich indes auf die Kaskoversicherung übertragen.
Demzufolge ist eine „Rennstrecke“ im Sinne der Versicherungsbedingungen “ein vom öffentlichen Verkehr abgesonderter Bereich, auf dem gegenüber dem öffentlichen Verkehr höhere Geschwindigkeiten eingehalten und aufgrund seiner Gestaltung typischerweise die Grenzen des Fahrkönnens und/oder des Fahrzeugs ausgelotet werden. Auf einer „Rennstrecke“ muss die konkrete Fahrlinie nicht bestimmt und es müssen auch keine sonstigen Einrichtungen wie Startmaschine, Zeitnehmung oder Absperrungen vorhanden sein. Der Begriff „Rennstrecke“ umfasst auch vom öffentlichen Verkehr abgesonderte Zufahrten und Verbindungswege zur eigentlichen Strecke, wenn jene der Strecke selbst vergleichbar gestaltet sind und dieselben Anforderungen stellen, Fertigkeiten verlangen und Manöver erlauben.”
Nicht alle Versicherungsbedingungen sind identisch. Vor der Teilnahme an derartigen Veranstaltungen empfiehlt es sich daher vorab mit dem Versicherer abzuklären, ob Versicherungsschutz besteht – und falls ja, in welchem Umfang. So lässt sich ein böses Erwachen und viel Ärger ersparen. Im Zweifelsfall können Sie einen versierten und erfahrenen Juristen zu Rate ziehen. Die Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne zur Seite.
Kein Versicherungsschutz der Kasko besteht dagegen in jedem Fall bei der Teilnahme an illegalen Straßenrennen.
Erstmalig veröffentlicht am 13.06. 2017
Aktualisiert am 10.03.2023
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