Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.12.2020, Az. 4 Bs 84/20 (Fahrtenbuchauflage für gewerbliche Fahrzeugvermietung)
Mit dieser Frage musste sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg in seinem Beschluss vom 01.12.2020 (Az. 4 Bs 84/20) auseinandersetzen.
Ein bundesweit tätiges Mietwagenunternehmen hatte vom Ordnungsamt Ettlingen einen Zeugenfragebogen erhalten: Ein auf das Unternehmen zugelassener Transporter wurde am 22.01.2019 um 13:12 Uhr geblitzt. Der Fahrerin wurde ein Geschwindigkeitsverstoß von 25 km/h vorgeworfen – zugelassen waren 30 km/h. Das Ordnungsamt bat das Unternehmen um Angaben zur Fahrerin.
Das Mietwagenunternehmen teilte mit, dass der Transporter zu dem Tatzeitpunkt nicht vermietet gewesen sei. Zudem verwies es auf die Mietstation und machte Angaben zum Betreiber. Dieser teilte auf den ihm übersandten Zeugenfragebogen samt Foto hin mit, dass der Wagen weder vermietet gewesen, noch eine Transferfahrt im System erfasst sei. Zudem sei die Fahrerin nicht bekannt.
Das Ordnungsamt bat daraufhin die Ordnungsbehörde am Sitz des Betreibers um Ermittlungen zu der Fahrerin. Dabei erhielt diese die Mitteilung, dass die Mitarbeiter des Betreibers nicht mehr befugt seien Auskünfte zur Vermietung zu erteilen. Der Betreiber verwies dabei auf die Zentrale. Erneut hieß es „Die Person konnte nicht zugeordnet werden. Es gibt zu dem Zeitpunkt kein Fahrauftrag oder Miete im System.“
Weil die Fahrerin nicht innerhalb der Verfolgungsverjährung ermittelt werden konnte, verpflichtete das Ordnungsamt das Mietwagenunternehmen dazu ab Ende Juli 2019 für sechs Monate für das betroffene Fahrzeug ein Fahrtenbuch zu führen und in drei benannten Kalenderwochen vorzuzeigen. Dagegen wehrte sich das Unternehmen und begehrte vom Verwaltungsgericht Eilrechtschutz.
Das Ordnungsamt begründete die Fahrtenbuchauflage damit, dass eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um mehr als 83% erheblich sei und als schwerwiegender Verstoß gewertet wurde. Weil das Unternehmen nicht bei der Fahrerinnenermittlung mitgewirkt habe, sei eine Fahrtenbuchauflage erforderlich. Das Mietwagenunternehmen meinte, es habe mitgewirkt und den Zeugenfragebogen „direkt an die verantwortliche Fahrerin (…) weitergeleitet.“ Außerdem hätten die Stationsverantwortlichen ebenfalls die Fahrerdaten mitgeteilt – sowohl der Zentrale als auch der Bußgeldstelle.
Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg sah in seinem Beschluss vom 28.04.2020 (Az. 15 E 3147/19) die Fahrtenbuchauflage als solche als gerechtfertigt an. „Angesichts des Gewichts des zugrundeliegenden Verkehrsverstoßes und der Gefahren, die von solchen – mangels Ermittlung des Fahrzeugführers nicht sanktionierten – Verstößen für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die körperliche Unversehrtheit der Verkehrsteilnehmer ausgehen, musste die [Ordnungsbehörde] nicht stärker auf die Umstände des konkreten Einzelfalls eingehen“.
Dass das Unternehmen für innerbetriebliche Fahrten angeordnet hatte diese als Fahrauftrag im Buchungssystem festzuhalten, „liegt insofern in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse.“ Nichtsdestotrotz konnte in dem Fall die Fahrerin nicht ermittelt werden. Dennoch sei das Unternehmen als (wenigstens) Mithalter zur Mitwirkung verpflichtet gewesen. Die Auffassung des Unternehmens, dass es – im Gegensatz zu der Station – keine Verfügungsgewalt gehabt habe, war unbeachtlich.
Gegen diese Entscheidung zog das Unternehmen vor das Oberverwaltungsgericht.
Das OVG bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. „Halter ist grundsätzlich unabhängig von der Eigentümerstellung derjenige, des das Fahrzeug auf eigene Rechnung in Gebrauch hat, d.h. die Nutzung aus der Verwendung zieht und die Kosten für Unterhaltung und laufenden Betrieb trägt“. Das Unternehmen habe durch die Mieteinnahmen den Nutzen gezogen und – unwiderlegt – die Kfz-Steuern und Versicherungsbeiträge getragen.
Der Einwand des Unternehmens, die Fahrtenbuchauflage verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), weil „die geforderten Daten über die Fahrzeugnutzung von jedem Mieter des Fahrzeugs zu erheben“ seien, konnte nicht überzeugen. Das OVG stellte diesbezüglich klar: „Die Datenschutzgrundverordnung lässt eine entsprechende Datenerhebung zu. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO ist eine Datenverarbeitung insbesondere dann rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, weil die Fahrtenbuchauflage eine Maßnahme zur vorbeugenden Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs ist. Mit ihr soll Sorge getragen werden, dass künftig die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist“.
Die Fahrtenbuchauflage ist für Fahrzeughalter mit einem nicht unwesentlichen Mehraufwand verbunden – selbst wenn sie den ihr zu Grunde liegenden Verkehrsverstoß nicht zu verantworten haben. Insbesondere in Fuhrparks kann die Umsetzung bei den Fahrzeugnutzern auf Widerstand stoßen; vor allem, wenn es sich um ein Mietfahrzeug handelt und die Nutzer einander nicht bekannt sind.
Doch nicht jede Fahrtenbuchauflage ist gerechtfertigt. Wann dies der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab. Daher ist es besonders wichtig die Weichen rechtzeitig richtig zu stellen. Eine frühzeitige rechtliche Beratung ist dabei unentbehrlich.
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