Der Großteil von Fahrzeugen eines Autohändlers ist – vor allem aus wirtschaftlichen Gründen – nicht zugelassen. Doch wie soll ein Kaufinteressent eine Probefahrt durchführen, wenn der Wagen nicht zugelassen ist? Die Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) bietet dafür die Möglichkeit ein rotes Kennzeichen zu nutzen. Dabei gelten jedoch strenge Regeln wofür das rote Kennzeichen genutzt werden darf. Doch was, wenn der Kaufinteressent während der Fahrt Hunger bekommt? Darf er die Probefahrt unterbrechen, um sich Essen zu holen? Diese Frage beschäftigte auch das Kammergericht (KG) Berlin in seinem Beschluss vom 17.09.2020 (Az. 3 Ws (B) 189/20, 162 Ss 73/20).
Ein Autofahrer führte am 26.06.2019 Probefahrt mit einem PWK durch. An dem nicht zugelassenen Wagen waren dafür rote Kennzeichen angebracht worden. Um 18:15 Uhr parkte er den PKW vor einem Restaurant – im absoluten Halteverbot – um dort etwas zu Essen zu holen beziehungsweise um dort zu essen. In Folge dessen wurde gegen den Fahrer ein Strafverfahren wegen der Inbetriebnahme eines nicht zugelassenen Fahrzeugs eingeleitet.
Das Amtsgericht (AG) Tiergarten verurteilte den Fahrer mit Urteil vom 29.06.2020 (Az. 306 OWi 56/20) zu einer Geldbuße von 200 Euro „wegen des Verstoßes gegen die Notwendigkeit der Zulassung von Kraftfahrzeugen in Tateinheit mit Parken im absoluten Halteverbot“. Dazu führte das Gericht aus: „Bei der Fahrt zum Restaurant handelt es sich – unabhängig davon, ob der Betroffene sich dort Essen holen wollte oder ob er das Essen dort verzehren wollte – nicht um eine privilegierte Fahrt nach§ 16 Abs. 1 S.3 FZV (a.F.; neu: § 41 Abs. 1 Satz 1 FZV) und damit um Inbetriebnehmen ohne die erforderliche Zulassung. Dies gilt … auch dann, wenn sich der Betroffene – was nicht zu widerlegen ist – eigentlich auf einer Probefahrt war. In diesem Fall hätte er das Fahrzeug zunächst zum Autohandel zurückbringen müssen.“
Aus Sicht des Gerichts lag auch kein nach § 16 Abs. 1 S. 2 FZV (a.F.; neu: § 41 Abs. 1 Satz 2 FZV) anerkannter Fahrzweck vor. Die Ausnahmen für das Tanken oder Reinigen des Fahrzeuges seien die einzigen zulässigen Unterbrechungen einer privilegierten Fahrt mit roten Kennzeichen. Das wertete der Autofahrer anders. Seiner Auffassung nach habe die Unterbrechung zum Essen holen den Charakter der Fahrt als Probefahrt gerade nicht in Frage gestellt. Daher legte er gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein.
Das Kammergericht verwarf die Rechtsbeschwerde jedoch als unbegründet. Dazu bezog es sich auf die Legaldefinition einer Probefahrt, die dann anzunehmen sei, „wenn eine Fahrt unternommen wird mit dem Ziel, die Leistung und Gebrauchsfähigkeit von Kraftwagen festzustellen.“ Dabei sei dem Anliegen gedient „Fahrzeuge für kurze Zeit im öffentlichen Straßenverkehr nutzen zu müssen, ohne jeweils vorher ein Zulassungsverfahren durchzuführen“.
Daher sei ein strenger Maßstab anzulegen, wenn eine Unterbrechung der Fahrt vorgenommen wird. „Denn gerade vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit und den praktischen Bedürfnissen für die ordentlichen Kaufmänner und ihre Kunden sind Unterbrechungen einer Probefahrt auf das notwendige Maß zu beschränken und dürfen den Charakter der Fahrt nicht verändern.“ Eine Unterbrechung der Probefahrt um Essen zu holen begründe dagegen „nicht im Ansatz die Notwendigkeit einer Unterbrechung.“ Und weil die Unterbrechung nicht notwendig war, entfiel auch die Privilegierung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV (a.F.; neu § 41 Abs. 1 Satz 2 FZV neu). Das Kammergerichts sah darin eine Fahrt ohne Zulassung.
Fahrten mit roten Kennzeichen werfen in der Praxis regelmäßig Fragen und sich daraus ergebende Probleme auf. Wenn die Fahrt nicht den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV (a.F.) genügt und auch nicht einem nach § 16 Abs. 1 Satz 2 FZV (a.F.) anerkannten Fahrzweck dient, kann dies erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Denn nur, wenn eine privilegierte Fahrt vorliegt, wird das ordnungsgemäß mit roten Kennzeichen versehene Fahrzeug so behandelt, als sei es zugelassen. In allen anderen Fällen droht ein Verfahren – wie hier – wegen Fahrens ohne Zulassung.
Darüber hinaus besteht bei solchen Fahrten gegebenenfalls kein Versicherungsschutz. Das kann im Falle des Falles für den Händler existenzgefährdend werden. Das ist auch dann der Fall, wenn nur ein rotes Kennzeichen montiert ist (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 28.06.2019 – Az. 3 O 358/18).
Wird bei einer Überprüfung festgestellt, dass die roten Kennzeichen unsachgemäß verwendet werden, sie gar verleihen wurden, oder beispielsweise die Unterlagen nicht ordnungsgemäß geführt wurden, droht dem Händler sogar der Entzug der Kennzeichen. Auch das führt zu Folgeprobleme, da keine Probe-, Überführungs- und Probefahrten mehr durchgeführt werden können.
Es liegt daher im eigenen Interesse des Autohauses genauestens auf die Einhaltung der Vorschriften zu achten. Sollte es dennoch zu Problemen und Streitigkeiten kommen, ist die frühzeitige Hinzuziehung eines Rechtsbeistands maßgeblich von Bedeutung.
Auch hier gilt: Kontaktieren sie uns! Voigt regelt!
Aktualisiert am 21.03.2024