Wer zu schnell fährt und in eine Geschwindigkeitsmessung gerät, kennt das Prozedere. Nach einiger Zeit liegt ein Anhörungsbogen der Bußgeldstelle mit Gelegenheit zur Stellungnahme im Briefkasten. Damit das Schreiben den richtigen Adressaten erreicht, ermittelt die Bußgeldstelle anhand des Kennzeichens zunächst den Halter des geblitzten Fahrzeugs. Da es hier um die zielgenaue Ansprache des möglichen Verkehrssünders geht und das Kennzeichen einen ersten Ansatzpunkt zu dessen Ermittlung bildet, bestehen gegen diese Vorgehensweise grundsätzlich auch keine Bedenken.
Grundsätzlich bedeutet jedoch nicht, dass das Verfahren der Bußgeldstelle insgesamt, d.h. auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten unbedenklich ist. Denn wenn eine Person mittels Zuordnung zu einer Kennung oder Kennnummer, zu denen eben auch Kraftfahrzeugkennzeichen zählen, identifiziert werden kann, ist der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet (Art. 4 Abs. 1 DSGVO). Ob die Identifikation direkt anhand des Namens oder z.B. erst unter Zuhilfenahme eines Registers möglich ist, spielt dabei keine Rolle. Bußgeldverfahren sind daher nur rechtmäßig, wenn auch die Regeln der DSGVO beachtet werden.
Von den einschlägigen Normen der DSGVO ist zunächst Art. 5 zu nennen. Danach dürfen personenbezogene Daten nur für festgelegte, eindeutige, legitime Zwecke erhoben und verarbeitet werden. Dem Grundsatz der Datenminimierung entsprechend, ist die Verarbeitung außerdem auf das für die Zweckerreichung notwendige Maß zu beschränken und die Datenverarbeitung muss erforderlich sein, z.B. um eine Aufgabe wahrzunehmen, die im öffentlichen Interesse liegt (vgl. Art. 6 f DSGVO).
„Erforderlich sein“ bedeutet aber auch, dass der Umfang der Datenverarbeitung auf den geringstmöglichen Eingriff zu beschränken ist. Ausforschungen oder „vorsorgliche Abfragen“ sind unzulässig. Im Bußgeldverfahren muss sich die Behörde daher zunächst auf die Halterabfrage beschränken. In vorauseilendem Eifer durchgeführte Aktivitäten, wie z.B. halterbezogene Anfragen beim Fahreignungsregister, sind unzulässig. Es steht ja noch gar nicht fest, ob der Halter auch tatsächlich der abgebildete Fahrer gewesen ist.
Erst wenn die Behörde den Halter kennt und feststellen will, ob dieser auch mit der abgebildeten Person am Lenkrad übereinstimmt, kann sie beim Einwohnermeldeamt ein Pass- oder Personalausweisfoto des vermutlichen Fahrers anfordern (vgl. § 22 Abs. 2 PaßG und § 24 Abs. 2 PAuswG; OLG Koblenz, Beschl. v. 02.10.2020, Az. 3 OWi 6 SsBs 258/20).
Die Anfrage beim Fahreignungsregister verschafft zwar Informationen über etwaige Einträge eines Fahrerlaubnisinhabers. Die Identität des Fahrers lässt sich damit aber nicht feststellen. Die Anfrage beim Fahreignungsregister darf daher erst dann zweck- und zielgerichtet erfolgen, wenn die Identität des Fahrers und damit eben die Person feststeht, auf die sich „die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und die Vollstreckung von Bußgeldbescheiden und ihren Nebenfolgen nach diesem Gesetz und dem Gesetz über das Fahrpersonal im Straßenverkehr“ (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 StVG) bezieht. Eine Anfrage „ins Blaue hinein“ widerspricht dem Datenschutzrecht.
Wenn eine unzulässige Abfrage aus dem Fahreignungsregister rechtswidrig erfolgt ist, was insbesondere bei automatisiert durchgeführten Bußgeldverfahren wahrscheinlich ist, sollte sich dies auch im Bußgeldverfahren niederschlagen. Die bisherigen Gerichtsverfahren haben gezeigt, dass – von einer Herabsetzung des Bußgelds bis hin zur Einstellung des Verfahrens – alles möglich ist.
Voigt regelt!