Landgericht Trier, Hinweisbeschluss vom 02.08.2022, Az. 1 S 19/22
Ein Geschädigter hatte sein Fahrzeug durchgängig in Markenwerkstätten warten lassen und wollte es nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall auch in einer solchen reparieren lassen. Der Versicherer des Unfallgegners wollte ihn dagegen auf eine „freie Werkstatt“ verweisen. Der Geschädigte war damit nicht einverstanden und klagte.
Darin, dass die Inspektionen und Wartungsarbeiten durchgängig in Markenwerkstätten durchgeführt worden waren, unterschied sich der Sachverhalt auch nicht von anderen. Besonders machte ihn allerdings, dass Wartungen zwar in Markenwerkstätten durchgeführt worden waren, diese aber nicht alle zur Marke des Herstellers des beschädigten Fahrzeugs, sondern auch zu anderen Fahrzeugherstellern gehört hatten.
Das LG Trier hat zunächst auf die ständige Rechtsprechung des BGH – insbesondere auf ein Urteil vom 07.02.2017 (Az. VI ZR 182/16) – verwiesen.
Demzufolge kann ein Geschädigter gemäß § 254 Abs. 2 BGB zwar grundsätzlich auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen “freien” Fachwerkstatt verwiesen werden. Der verweisende Versicherer muss aber darlegen und beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht. Vom Geschädigten aufgezeigte Umstände, die 986572eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen sollen, müssen widerlegt werden.
Zudem kann ein Verweis auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt insbesondere dann unzumutbar sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt warten und reparieren lassen hat und der Schädiger dies nicht widerlegen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn das beschädigte Fahrzeug nicht älter als drei Jahre ist. Bei älteren Fahrzeugen soll es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf
eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen (BGH, Urt. v. 07.02.2017, Az. VI ZR 182/16).
Hätte der Geschädigte sein Fahrzeug durchgängig in einer Werkstatt des Herstellers pflegen lassen, wäre die Sache klar gewesen. Genau dies war aber nicht der Fall und die zitierte Rechtsprechung sprach auch lediglich von der „markengebundenen Fachwerkstatt“. Hinweise darauf, dass und ob diese tatsächlich der Marke des Herstellers des beschädigten Fahrzeugs angehören muss, waren den zitierten Urteilen nicht zu entnehmen.
Das LG Trier musste daher weitere Kriterien entwickeln; und genau das tat es dann auch. Der Umstand, dass „Vertragshändler und Vertragswerkstätten erfahrungsgemäß von den Herstellern geschult werden, einen Zugriff auf „Original-Ersatzteile“ haben“, war für das Gericht zwar ein wesentlicher Aspekt. Daneben gab es aber auch zu bedenken, dass Fahrzeuge, die durchgängig in Markenwerkstätten gewartet worden sind, am Markt höher bewertet würden als solche, bei denen Reparaturen und Wartungen in „freien Werkstätten“ stattgefunden haben. Bezogen auf den konkreten Sachverhalt, hat das Gericht auf den Qualitätsstandard der herstellerverschiedenen Marken und darauf verwiesen, dass diese demjenigen des Herstellers entsprechen dürfte.
Der Geschädigte habe gezeigt, „dass es ihm auf den Erhalt dieses besonderen Wertsteigerungsmerkmals ankommt und er auf die Reparatur in einer Markenwerkstatt besonderen Wert legt.“
Der Verweis auf eine freie Werkstatt würde dies ignorieren und dazu führen, dass er bei einem Weiterverkauf nicht mehr damit werben könne, sein Fahrzeug sei ausschließlich in Markenwerkstätten gewartet und repariert worden.
Man mag von dem Urteil halten was man möchte. Jedenfalls trifft es keine generalisierende Aussage zur Qualität bestimmter Werkstatttypen. Denn auch Werkstätten, die sich z.B. nach einer Neuordnung der Vertriebsstruktur ohne Vertrag wiederfinden, können durchaus über wertvolles, markenbezogenes Wissen verfügen. Aufbauend auf dem Argument, dass die Wartung in einer Markenwerkstatt ein wertbildender Faktor ist, stuft das LG Trier aber bereits den Umstand der Wartung und Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt als relevant für die Unfallreparatur ein.
Das LG Trier hat den Rechtsstreit zwar nicht mit einem Urteil entschieden, sondern es bei einem Hinweisbeschluss belassen. Indem es Wartung und Reparatur in einer Markenwerkstatt per se und gelöst von einer konkreten Marke als wertbildenden Faktor eingestuft hat, hat es einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Rechtsprechung geleistet. Ob und in welchem Umfang Qualitäts- und Qualifizierungsmerkmale ihre Spuren hinterlassen werden, bleibt abzuwarten.
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