Eigentlich sollten bei der Restwertermittlung nach Unfallschäden klare Verhältnisse herrschen.
Geschädigte haben sich an dem Gebot der Wirtschaftlichkeit zu orientieren und sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen zu bewegen.
Für die Restwertermittlung ist der regionale Markt entscheidend und wenn ein Geschädigter sein beschädigtes Fahrzeug zu dem Preis veräußert, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat
, sollte es eigentlich keine Probleme geben (BGH, Urt. v. 01.06.2010, Az. VI ZR 316/09).
Allerdings ignoriert die Versicherungswirtschaft diese Grundsätze regelmäßig und setzt auf den überregionalen, bzw. internationalen Markt sogenannter Restwertbörsen. So war es auch in dem vorliegenden Fall, mit dem sich das AG Homburg (Urt. v. 19.09.2018, Az. 9 C 75/17 (14)) und – in der Berufungsinstanz – das LG Saarbrücken (Az. 13S 146/18) befassen mussten, nachdem ein Geschädigter sein Fahrzeug bei der Ersatzbeschaffung an ein regionales Autohaus verkauft hatte.
Das LG Saarbrücken bestätigte einmal mehr, das eine korrekte Wertermittlung vorliegt, wenn sie erkennen lässt, dass der Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt worden ist.
Wörtlich heißt es in dem Urteil: Der Geschädigte ist weder verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 2004 – VI ZR 119/04, … und vom 6. April 1993 – VI ZR 181/92, …) oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2010 aaO), noch ist er gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2016 – VI ZR 673/15
…)
.
Das Gericht belässt es jedoch nicht bei der Verweisung auf die Rechtsprechung des BGH. Unter Hinweis auf die mögliche Aufkäuferdichte an einem Ort macht es zudem deutlich, dass der Begriff des regionalen Raums
sehr unterschiedlich ausfallen und in Großstädten ggf. sogar auf einen Stadtteil beschränkt sein kann. Einen Grund dafür, weshalb der Raum der angefragten Unternehmen auf den gesamten regionalen Raum ausgedehnt werden oder ein repräsentativer Durchschnitt der gesamten Region ermittelt werde sollte, konnte das Gericht nicht erkennen. Im Zweifelsfall kann es daher sogar genügen, wenn die eingeholten drei Angebote aus einem Stadtteil stammen.
Erst recht kann es daher auch keinen Bedenken begegnen, wenn sich die Einholung der Restwertangebote auf das Bundesland beschränkt, wo sich das Fahrzeug nach dem Unfall befand. Auch das OLG Schleswig (Beschl. v. 09.11.2021, Az. 7 U 87/21) hat in diesem Zusammenhang nochmals ausdrücklich auf das Urteil des BGH vom 27.09.2016 (Az. VI ZR 673/15) verwiesen.
Das Urteil des LG Saarbrücken stärkt die Position des BGH-Urteils, wonach ein Sachverständiger sich bei der Ermittlung des Restwerts auf den regionalen – im Zweifelsfall sogar auf den örtlichen – Markt beschränken kann. Weiterhin bestätigt es den Grundsatz, dass Geschädigte nicht abwarten müssen, bis der Schädiger oder dessen Versicherer sich zu dem Gutachten geäußert haben.
Die Versicherungswirtschaft wird sich bei der Restwertermittlung zwar auch weiterhin über die höchstrichterliche Rechtsprechung hinwegsetzen. Das Urteil zeigt aber, dass es Sinn macht, dagegen vorzugehen. Voigt regelt!
Geschädigte müssen nicht warten!
Und täglich grüßt die Restwertbörse
Sind Angebote aus Restwertbörsen bindend?
Prüffrist des Versicherers für höheres Restwertangebot?
Müssen Geschädigte das Restwertangebot des Versicherers abwarten?