OLG Bremen, Beschluss vom 18.08.2024, Az. 1 U 14/24
Der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs verweigerte den vollständigen Schadenersatz mit der Begründung, es sei ein Abzug “Neu für Alt” vorzunehmen.
Der Abzug “Neu für Alt” basiert auf dem Gedanken, “dass bei der Bemessung des Schadensersatzes für die Beschädigung oder Zerstörung einer durch den Gebrauch und die Zeitdauer im Wert gesunkenen oder gar schon vorher schadhaften Sache ein Abzug vorgenommen werden kann. Ein Abzug zur Berücksichtigung des Unterschieds von Alt und Neu ist grundsätzlich zulässig” (BGH, Urt. v. 24.03.1959, Az. VI ZR 90/58).
Folglich kommt ein Abzug nur in Betracht, wenn der Geschädigte infolge der Ersatzleistung Aufwendungen erspart, die er zu einem späteren Zeitpunkt ohnehin hätte tätigen müssen. Ein weiterer Aspekt beim Abzug “Neu für Alt” ist die Frage, ob und in welchem Umfang sich das sogenannte individuelle Nutzungspotenzial für den Geschädigten erhöht. Dies ist dann gegeben, wenn die neue oder reparierte Sache gerade für den Geschädigten einen höheren Wert hat, da ihm der Vorteil aufgedrängt wird (OLG Köln, Beschl. v. 01.08.2014, Az. 11 U 23/14).
Der Versicherer behauptete einen Verschleiß des Anpralldämpfers. Es führte aus, auch bei langlebigen Wirtschaftsgütern führe die Ersatzleistung zu einer messbaren Vermögensmehrung beim Geschädigten. Und da der Austausch eines Anpralldämpfers zu einer messbaren Verbesserung der Funktionsfähigkeit und damit des Wertes führe, wirke sich diese Werterhöhung beim Träger der Straßenbaulast wirtschaftlich günstig aus. Außerdem führe der Austausch zur Einsparung von Unterhaltungsmitteln.
Weiter behauptete er, Schutzplanken würden durch nicht reparierte Beschädigungen sowie das Einwirken von weiteren Umwelteinflüssen einem Alterungsprozess unterliegen und müssten daher gewartet werden. So könne z.B. das Ausbringen von Tausalz an beschädigten Anpralldämpfern und deren Befestigungen zu Rostschäden führen. Ein Abzug in Höhe von 25 % ist daher angemessen.
Der Träger der Straßenbaulast trat diesen Behauptungen mit Fakten entgegen. Fundiert legte er dar, dass weder eine Instandsetzung noch ein Austausch einen Vermögenszuwachs mit sich bringe.
Denn weder Anpralldämpfer noch Leitplanken unterlägen einem faktisch messbaren Verschleiß. Ein Austausch würde auch nicht turnusmäßig, sondern lediglich nach Unfällen oder dann durchgeführt, wenn sich die Straßenführung ändert oder die Straße komplett saniert wird.
Des Weiteren sind Anpralldämpfer kein eigenständiges Bauwerk, sondern Teil des Straßenbauwerks. Die Folge ist, dass Anpralldämpfer stets mit einer Erneuerung der Gesamtanlage ausgetauscht werden, unabhängig davon, ob oder wann sie zuvor erneuert worden sind. Ein Vermögenszuwachs könne daher ausgeschlossen werden.
In der Urteilsbegründung des Landgerichts Bremen heißt es, dass ein Austausch “Neu für Alt” schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil er lediglich einen Bruchteil der Kosten für die Montage des neuen Anpralldämpfers decken würde.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Anpralldämpfer in wenigen Jahren im Rahmen der Erneuerung der gesamten Leitplankenanlage in dem betroffenen Bereich selbst dann ausgetauscht werden müsste, wenn er deutlich neuwertiger sei als der Rest der Anlage. Es sei nicht ersichtlich, welchen konkreten Wertzuwachs die Klägerin durch den Ersatz des gebrauchten Anpralldämpfers durch einen neuen erlangen würde hat. Dies ließe sich insbesondere damit begründen, dass der Anpralldämpfer lediglich ein Bestandteil des Leitplankensystems sei.
Das OLG fügte hinzu, dass selbst wenn der betroffene Anpralldämpfer für sich genommen durch die Reparatur bzw. den Austausch nunmehr eine längere zu erwartende Lebensdauer haben sollte als das beschädigte Bauteil, auch dies nicht zu einer Vermögensvermehrung führe.
Es stimmt dem Landgericht zu, dass bei einer anstehenden Erneuerung der Gesamtanlage – ob aufgrund weiterer Unfälle oder aufgrund des behaupteten regelmäßigen Alterungsprozesses der Anlage im Übrigen – auch der betroffene Anpralldämpfer ungeachtet seiner vorherigen Erneuerung mit ausgetauscht werden würde.
Der vorliegende Fall unterscheide sich somit von Konstellationen, in denen das beschädigte Straßenbauwerk einer separaten Erneuerung unterliegt. Außerdem sei der Versicherer beweisfällig geblieben. Den Abzug “Neu für Alt”, insbesondere die Einsparung von Unterhaltsaufwendungen, hatte der Versicherer zwar behauptet, bewiesen hatte er ihn jedoch nicht.
Die Entscheidungen zeigt zwei wesentliche Punkte auf: