Der Geschädigte hatte das beschädigte Fahrzeug noch am Tag, an dem ihm das Sachverständigengutachten zuging, zum im Gutachten angegebenen Restwert verkauft. Vier Tage später erwarb er bereits ein Ersatzfahrzeug. Der Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers ließ der Geschädigte das Gutachten erst weitere zehn Tage später zukommen. Die Versicherung wiederum legte dem Geschädigten anschließend ein deutlich höheres Angebot aus einer Restwertbörse vor und regulierte den Schaden lediglich unter Berücksichtigung dieses höheren Restwertgebotes, was den Geschädigten deutlich schlechter stellte.
Das Amtsgericht Frankfurt/Main (Urt. v. 30.07.2015, Az. 31 C 3478/14 (83)) entschied zu Gunsten des Geschädigten. Dieser müsse das höhere Restwertgebot nicht gegen sich gelten lassen. Zwar treffe den Geschädigten grundsätzlich eine sogenannte Schadensgeringhaltungspflicht
. Der Geschädigte sei auch nicht verpflichtet, dem Schädiger vor Verkauf Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot vorzulegen. Anhaltspunkte dafür, dass der im Gutachten ermittelte Restwert fehlerhaft ermittelt wurde, bestünden nicht. Zudem stand die Veräußerung des beschädigten Fahrzeuges in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb eines Ersatzfahrzeuges.
Vielmehr sei der Geschädigte aus seiner Schadensminderungspflicht sogar gehalten, sich um eine zeitnahe Beseitigung des Schadens zu bemühen, um die vom Schädiger bzw. dessen Versicherer zu zahlende Entschädigung für Nutzungsausfall zu mindern.
Die Rechtsfrage über die das Amtsgericht Frankfurt am Main zu entscheiden hatte, hat der Bundesgerichtshof zwar bereits entschieden. Versicherer führen diesen Streit allerdings immer noch in der täglichen Regulierungspraxis. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise zur Berücksichtigung des Restwertgebots des Versicherers führen. Daher ist auch im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens eine frühzeitige anwaltliche Vertretung dringend geboten.
Wichtiger Hinweis: Das Thema beschäftigt derzeit wieder den Bundesgerichtshof. Ausgangspunkt sind zwei Entscheidungen anderer Gerichte, die die Streitfrage unterschiedlich beantwortet haben. Wir halten Sie informiert!
Bildnachweis: Hans/Pixabay