Das EU Mobilitätspaket I wurde am 08.07.2020 beschlossen und am 31.07.2020 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Neuregelungen betreffen beispielsweise die Wochenruhezeit (Schlafen in der LKW-Kabine bald Geschichte), Verlängerungen der Lenkzeiten, wenn der Fahrer die Ruhezeit an seinem Wohnort oder der Betriebsstätte des Unternehmens verbringen möchte oder die Aufzeichnung von Krankheits- oder Urlauszeiten. Eine Vielzahl der Regelungen greift bereits jetzt. Andere, wie z.B. die Nachrüstpflicht für digitale Fahrtenschreiber, die Einführung einer Abkühlphase
nach erschöpftem Kabotagepensum, die Verlängerung Mitführungspflicht der Nachweise für aufzeichnungspflichtige Fahrten, die Genehmigungspflicht für grenzüberschreitende Transporte mit Fahrzeugen ab 2.501 kg oder die Pflicht zum Einbau von Fahrtenschreibern in derartige Fahrzeuge, werden erst später relevant.
Änderungen ab dem 21.08.2020.
– Handwerkerklausel (Art. 3 lit. aa Verordnung EG 561/2006 v. 15.03.2006)
Die Neuregelung ermöglicht, dass nicht nur mehr Material befördert werden kann, das der Fahrzeugführer für die Ausübung seiner Tätigkeit benötigt, sondern auch die Auslieferung handwerklich hergestellter Güter. Unverändert bleibt, dass die Fahrtätigkeit nicht die Haupttätigkeit des Fahrzeugführers darstellen darf. Die Bestimmungen zu Gewicht (< 7500 kg) und Entfernung (Radius v. max. 100 km) bleiben ebenfalls erhalten.
– Wochenruhezeiten
Die regelmäßigen sowie Wochenruhezeiten von über 45 Sunden dürfen jetzt nicht mehr im LKW absolviert werden. Sie müssen in einer geeigneten geschlechtergerechte[n] Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen
verbracht werden. Die Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen.
Im grenzüberschreitenden Verkehr sind allerdings zwei verkürzte Wochenruhezeiten – die im LKW verbracht werden dürfen – möglich. Diese Ruhezeiten dürfen aber weder im Mitgliedsstaat der Niederlassung noch in dem Staat verbracht werden, in dem der Fahrer seinen Wohnsitz hat.
Wenn wöchentliche Ruhezeiten reduziert werden oder worden sind, sind sie durch gleichwertige Ruhezeiten auszugleichen. Dies hat vor dem Ende der dritten Woche, die auf die Reduktion folgt, zu geschehen.
– Fähr- und Zugüberfahrten
Wird der LKW per Fähre oder mit der Bahn transportiert, kann der begleitende Fahrer eine regelmäßige tägliche oder reduzierte wöchentliche Ruhezeit einlegen, sofern ihm hierfür eine Kabine, ein Liegeplatz oder eine Schlafkoje zur Verfügung steht. Auch die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit kann er während einer Fähr- oder Zugreise einlegen. Hierzu muss die Reise indes mindestens acht Stunden dauern und er muss Zugang zu einer Schlafkabine haben. Der Fahrtenschreiber ist auf Fähre/Zug
zu stellen.
– Sonstige Reisezeiten
Befindet sich das Fahrzeug weder am Wohnsitz des Fahrers noch am Ort der Betriebsstätte, zu der der Fahrer gehört, können Pausen oder Fahrtunterbrechungen auch während der Reise zu oder vom Fahrzeug eingelegt werden. Bei einer An- oder Abreise per Zug oder der Fähre, muss er Fahrer Zugang zu einer Schlafkabine, einer Koje oder einem Liegewagen haben.
– Dokumentation von Urlaubs- und Krankheitszeiten
Unter dem Symbol Bett
werden nunmehr nicht nur Fahrunterbrechungen und Ruhezeiten erfasst, sondern auch krankheitsbedingte Fehlzeiten oder der Jahresurlaub.
– Grenzübertritte
Bei analogen Kontrollgeräten sind Grenzübertritte zu Beginn des ersten Halts im Mitgliedsstaat handschriftlich mit dem Symbol des jeweiligen Landes einzutragen. Der Eintrag hat am nächstmöglichen Halteplatz an oder nach der Grenze zu erfolgen. Bei einem Grenzübertritt per Fähre oder Eisenbahn, ist dies der Ankunftshafen oder -bahnhof. Bei digitalen Fahrtenschreibern ist die Eingabe des Symbols ab dem 02.02.2022 verpflichtend, es sei denn, die Standortdaten werden automatisch aufgezeichnet.
– Rückkehrpflicht
Neu eingeführt wurden Regeln zu Rückkehr von Fahrzeugen und Fahrern. Im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzte Fahrzeuge müssen spätestens acht Wochen, nachdem sie den Mitgliedsstaat verlassen haben, zu einer Niederlassung in diesem Mitgliedsstaat zurückkehren.
Für Fahrer besteht keine derartige Rückkehrpflicht. Allerdings muss das Unternehmen Fahrern ermöglichen, innerhalb eines Vier-Wochen-Zeitraums, eine Ruhezeit von mindestens 45 Stunden am Standort des Unternehmens oder zuhause zu verbringen. Ob und wie die Fahrer diese Möglichkeit nutzen, bleibt ihnen überlassen. Zwingend vorgeschrieben ist lediglich, dass die Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs zu verbringen ist. Das Unternehmen hat die Schaffung der Möglichkeit zur Rückkehr zu dokumentieren und auf Verlangen nachzuweisen.
– Lenkzeitüberschreitungen / Notstandsklausel
Unter außergewöhnlichen Umständen und sofern die Sicherheit im Straßenverkehr nicht gefährdet wird, können Fahrer die tägliche und wöchentliche Lenkzeit um bis zu eine Stunde überschreiten, sofern dies dazu dient, die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder den eigenen Wohnsitz zu erreichen, um dort die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit einzulegen. Ebenfalls zu diesem Zweck ist eine Überschreitung der täglichen oder wöchentlichen Lenkzeit um bis zu zwei Stunden möglich, wenn die Fahrt zuvor – zusammenhängend für mindestens 30 Minuten – unterbrochen wurde.
Wenn der Fahrer diese Möglichkeit nutzt, hat er die Art und den Grund für die Abweichung auf dem Schaublatt des Kontrollgeräts, einem Ausdruck oder im Arbeitszeitplan zu dokumentieren.
Zusammenfassung
Die Neuregelungen sind als ein Schritt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Transportgewerbe zu verstehen. Ob sie dies tatsächlich bewirken, wird indes erst die Zeit zeigen.
Fest steht indes, dass die Neuregelungen an einigen Stellen Unklarheiten und Unsicherheiten birgt. Dies gilt z.B. in Hinblick auf die Regelungen in Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vom 15.03.2016 und Art. 12 der Verordnung (EU) 2020/1054 vom 15.07.2020. Während ein Fahrer gemäß Art. 7 nach einer Lenkdauer von viereinhalb Stunden eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten einzulegen hat, sofern er keine Ruhezeit einlegt, ist nach Art. 12 eine 30-minütige Fahrtunterbrechung ausreichend. Wer hier kein Risiko eingehen will, sollte zunächst die Regelung des Art. 7 beachten.
Sollte es in Hinblick auf die Neuregelung zu Problemen kommen sollte, stehen Ihnen die Anwälte der ETL Kanzlei-Voigt zur Seite!