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Das Bundesverfassungsgericht stellt klar:

Wer mit dem Gesetz in Konflikt gerät, z.B. weil er die zugelassene Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, ist dem Verfahren nicht hilflos ausgeliefert. Er hat insbesondere einen Anspruch auf die Durchführung eines fairen Verfahrens! Was das bedeutet, hat das  Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 04.05.2021 (Az. 2 BvR 277/19) konkretisiert!
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12.08.2021
ca. 3 Minuten
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Wer mit dem Gesetz in Konflikt gerät, z.B., weil er die zugelassene Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, ist dem Verfahren nicht hilflos ausgeliefert. Insbesondere hat er einen Anspruch auf die Durchführung eines fairen Verfahrens.

Was bedeutet “Recht auf ein faires Verfahren”?

Was dies bedeutet, hat das  Bundesverfassungsgericht mit einer Entscheidung vom 04.05.2021 (Az. 2 BvR 277/19) konkretisiert, nachdem es kurz zuvor schon das Thüringer Oberlandesgericht es in seinem Beschluss vom 17. März 2021, Az. 1 OLG 331 SsBs 23/20, treffend auf den Punkt gebracht hatte:

Nach Auffassung des Thüringer Oberlandesgerichts zählt das „Das Recht auf ein faires Verfahren … zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens. In ihm darf der Betroffene nicht bloßes Verfahrensobjekt sein; ihm muss vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Das Gebot fairer Verfahrensführung soll dabei gewährleisten, dass der Betroffene seine prozessualen Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde selbständig wahrnehmen und Übergriffe staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren kann. Als aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip resultierendes Prozessgrundrecht steht es dem Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren ebenso zu wie dem Beschuldigten im Strafverfahren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.03.1992, Az. 2 BvR 1/91) und wendet sich nicht nur an die Gerichte, sondern auch an die Exekutive, soweit diese sich rechtlich gehalten sieht, bestimmte Beweismittel nicht freizugeben (BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981, Az. 2 BvR 215/81; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2019, Az. 1 Rb 10 Ss 291/19).“

Betroffene haben ein Recht auf entscheidungserhebliche Inhalte!

Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt zudem, dass ein Betroffener grundsätzlich auch Anspruch auf Zugang zu solchen Inhalten hat, die zu Ermittlungszwecken, aber nicht zur Akte genommen wurden, obgleich sie bei der Bußgeldbehörde vorhanden sind (vgl. z.B. LG Hagen, Beschl. v. 30.09.2021, Az. 46 Qs 59/21; LG Würzburg, Beschl.  v. 29.12.2020, Az. 1 Qs. 253/20). Deutlich wird dies immer wieder, wenn es in einem Bußgeldverfahren um die Herausgabe der Rohmessdaten an den Betroffenen geht. So hat z.B. das AG Leverkusen (Beschl. v. 08.02.2021, Az. 55 OWi 120/21) einer Betroffenen ein Recht auf Einsicht in die komplette Messreihe einer Geschwindigkeitsmessung vom Tattag zugesprochen und dies – auch beim standardisierten Messverfahren – mit dem Gebot des fairen Verfahrens begründet, „welches sich wiederum aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG ableitet und zudem in Art. 6 EMRK statuiert ist.“

Das Bundesverfassungsgericht macht eine klare Ansage!

Nachdem sich das Bundesverfassungsgericht mit den Entscheidungen des Amtsgerichts Rosenheim vom 28.05.2018, Az. 5 OWi 410 Js 799/18 und des OLG Bamberg vom 23.11.2018, Az. 2 Ss OWi 1495/18 befasst hatte, die dem Betroffenen den Zugang zu außerhalb der Bußgeldakte befindlichen Informationen verwehrt hatten, statuierte es „dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren für den Beschwerdeführer grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen folgen kann. Die generelle Versagung des Begehrens des Beschwerdeführers auf Informationszugang, welches dieser im fachgerichtlichen Verfahren hinreichend geltend gemacht hat, wird deshalb der aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Gewährleistung nicht gerecht. Entgegen der Annahme der Fachgerichte handelt es sich hierbei auch nicht um eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht, sondern der Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen.“ 

Die Entscheidung steht in guter Tradition!

Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht  bereits zuvor festgestellt, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren auch ein Anspruch Informationszugang auch zu den nicht zur Bußgeldakte genommenen Informationen gehört (z.B. Beschl. v. 12.11.2020, Az. 2 BvR 1616/18;  v. 28.04.2021,  Az. 2 BvR 1451/18). Wenn die Bußgeldbehörde die Verteidigung wesentlich erschwert, darf sie sich nicht wundern, wenn das Gericht das Verfolgungsinteresse als stark gemindert einstuft und das Verfahren einstellt.

Aktualisiert am 20.06.2024

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