Die Corona-Pandemie macht sich im Schaden- und Werkstattgeschäft nicht nur bei den Reinigungs- und Desinfektionskosten bemerkbar. Einem aktuellen Urteil des AG Wolfsburg (Az. 23 C 48/20 vom 12.10.2020) zufolge, können sowohl die Wiederbeschaffungsdauer als auch die Dauer der Inanspruchnahme eines Mietwagens den im Gutachten angegebenen Zeitraum überschreiten, wenn das Gutachten die Auswirkungen der Corona-Krise nicht berücksichtigt hat.
Was war passiert?
Nach einem unverschuldeten Unfall lies der Geschädigte sein Fahrzeug von einem Sachverständigen begutachten. Dieser stellte einen Totalschaden fest und veranschlagte die Wiederbeschaffungsdauer mit 11 Tagen. Da die Autohäuser Corona-bedingt geschlossen hatten, nahm die Ersatzbeschaffung allerdings etwas mehr als einen Monat in Anspruch und der Geschädigte mietete das Ersatzfahrzeug für eben diesen Zeitraum an. Die Kosten verlangte er vom Versicherer erstattet. Dieser stellte jedoch nicht nur die Höhe der Rechnung in Frage, sondern bestritt – trotz des vermutlich vorhandenen Wissens um die Corona-bedingten Besonderheiten und die Schließungsanordnungen – auch die Notwendigkeit der länger andauernden Anmietung. Der Geschädigten musste seine Ansprüche daher beim Amtsgericht Wolfsburg im Klagewege geltend machen. Das Gericht korrigierte die Tagessätze der Mietwagenkosten zwar moderat nach unten. In den entscheidenden Punkten gab es der Klage aber vollumfänglich statt.
Der Privatmarkt bei der Ersatzbeschaffung keine Rolle!
Hinsichtlich der, durch die Schließungsanordnung verursachten längeren Anmietung, bekräftigte das AG Wolfsburg den Grundsatz, wonach Geschädigte weder nach nächstbeste Fahrzeug akzeptieren noch sich darauf verweisen lassen müssen, ein Ersatzfahrzeug auf dem Privatmarkt, ggf. unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung und mit den allgemein bekannten Risiken, zu erwerben.
In der Begründung führte es aus, Geschädigte könnten schließlich nichts dafür, wenn ihr Fahrzeug schwer beschädigt, nicht mehr fahrbereit und eine Reparatur unverhältnismäßig teuer sei. In Hinblick auf die Besonderheiten der Corona-Pandemie machte es klar, dass es angemessen bewertet werden muss, wenn es einem Geschädigter – aufgrund deren Auswirkungen – erst nach einem Monat gelingt, ein vernünftiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen.
Haftungsreduzierungen rechtfertigen keinen Abschlag!
Im Gegensatz zu dem Versicherer, vertrat das Gericht zudem die Auffassung, dass die von dem Geschädigten im Rahmen der Anmietung vereinbarte Haftungsreduzierung nicht geeignet sei, um einen 20-prozentigen Abschlag vorzunehmen. Da ein Geschädigter – insbesondere nach einem unverschuldeten Unfall – bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs ein berechtigtes Interesse habe, sich von der Haftung für von ihm zu vertretende Beschädigungen desselben zu befreien, müsse der entschädigungspflichtige Versicherer auch diese Kosten zu übernehmen.
Zusammenfassung
Das Urteil zeigt einmal mehr, dass Leistungsverweigerungen oder Kürzungen des entschädigungspflichtigen Versicherers nicht widerspruchslos hingenommen werden sollten. Selbst wenn der geltend gemachte Anspruch nicht vollumfänglich zugesprochen werden sollte, hat die Erfahrung gezeigt, dass der zugesprochene Teil den Aufwand rechtfertigt.
Sprechen Sie mit uns, wenn der gegnerische Versicherer Ihre Ansprüche willkürlich oder aus nicht nachvollziehbaren Gründen kürzt. Die Anwälte der ETL-Kanzlei Voigt stehen an Ihrer Seite!