Was war bisher passiert?
Ein Deutscher Urlauber wurde mit seinem Wohnmobil in den Niederlanden in einen Unfall verwickelt. Die Haftung des niederländischen Unfallverursachers stand außer Frage. Da das Wohnmobil noch sehr jung war und erst 1250 km gelaufen hatte, begehrte der Geschädigte Ersatz auf Neuwertbasis. Der niederländische Versicherer lehnte dies ab und der Geschädigte erhob Klage vor einem deutschen Gericht. Nachdem dieses zunächst seine Zuständigkeit geprüft und bejaht hatte, musste es sich jetzt mit der Frage auseinandersetzen, ob dem Geschädigten ein Ersatzanspruch auf Neuwertbasis zustand.
Das niederländische Recht kennt keinen Neuwertersatz
Da der Geschädigte aber den Neuwert ersetzt verlangte, war zu klären, ob das niederländische Recht einen derartigen Anspruch überhaupt kennt. Zu diesem Zweck holte das Gericht ein Rechtsgutachten ein, das zu folgendem Ergebnis kam: Der, in der Rechtsprechung anerkannten, Berechnungsformel zur Ermittlung merkantiler Minderwerte von Unfallwagen, zufolge, erleidet ein Fahrzeug, bereits unmittelbar nach der Ingebrauchnahme, einen erheblichen Wertverlust. Während des ersten Gebrauchsjahres ist daher, ein Abzug von 15% angemessen. Wer sich den vollen Anspruch sichern will, kann dies über eine extra Kaskoversicherung tun. Ein Anspruch auf Neuwertersatz gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung besteht nicht.
Der Schadensersatz kann – bei Anwendung ausländischen Rechts – geringer sein als in Deutschland
Dass das niederländische Recht keinen Neuwertersatz zugestand war zwar ärgerlich, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Es hätte ja sein können, dass das deutsche Schadensersatzrecht Normen kennt, die internationale Geltung beanspruchen.
Von der Sache her sind im deutschem Recht die §§ 249, 253 BGB maßgeblich. Diese besitzen allerdings schon national keinen zwingenden Charakter. Noch weniger kommt ihnen ein solcher daher international zu. Ein Neuwertersatz schied also auch auf dieser Grundlage aus.
Auch der ordre public konnte nicht helfen
Als quas letzten Anker prüfte das Gericht aber noch, ob nicht der sogenannte ordre public helfen könnte. Der ordre public greift immer dann, wenn die Bestimmungen des ausländischen Rechts zu Ergebnissen führen würden, die in einem wesentlichen Widerspruch zur innerstaatlichen Rechtsordnung stehen. Dies wäre z.B. der Fall, wenn das niederländische Recht entweder überhaupt keinen oder nur einen sehr geringen Schadensersatz zugestanden hätte. Dem war aber nicht so. Der bei der Beschädigung eines Neuwagens zu leistende Schadensersatz weicht nach niederländischem Recht lediglich
um ca. 15% nach unten hin ab, und wer es will, kann sich durch eine Kaskoversicherung dagegen absichern. Auch eine Lösung über den ordre public schied damit aus.
Dass der Geschädigte das im Gutachten benannte, verbindliche Kaufangebot nicht angenommen hatte, konnte dem Versicherer nicht angelastet werden. Am Ende sprach das Gericht dem Kläger Ersatz für einen noch offenen Teil des Wiederbeschaffungsaufwands, die Kosten der Notreparatur, die Einschaltung eines Anwalts sowie Zinsen zu. Den begehrten Ersatz auf Neuwertbasis konnte es nicht zusprechen, da das Niederländische Recht einen solchen nicht vorsieht.
Kanzlei Voigt Praxistipp
Die Besprechung beschränkt sich auf wesentliche Kernpunkte des Falles. Eine umfassende Aufarbeitung hätte hier den Rahmen gesprengt. Die Ausführungen verdeutlichen aber, dass ein Verkehrsunfall im Ausland nicht mal eben so nebenbei
, sondern in der Regel nur mit Spezialwissen erledigt werden kann. Sollten Sie im Ausland in einen Verkehrsunfall verwickelt werden, zögern Sie nicht uns zu kontaktieren. Die Anwälte der Kanzlei Voigt kennen sich nicht nur im nationalen Schadenrecht bestens aus. Die Vertretung in Angelegenheiten mit internationalem Bezug gehört ebenfalls zu unserem Standards. Ob Sie im Inland von einem im Ausland zugelassenen Fahrzeug geschädigt oder im Ausland in einen Unfall verwickelt werden, spielt dabei keine Rolle.