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Alles für lau?

Urteil des AG München vom 04.04.2023, Az. 344 C 14708/22

Wenn Versicherer sparen wollen, dann ist daran eigentlich nichts auszusetzen. Eigentlich; denn gemäß der „Magna-Charta des Schadenrechts“, die sich insbesondere in § 249 BGB widerspiegelt, hat ein Schädiger - oder dessen Versicherer - nun einmal „den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“.
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21.06.2023
ca. 3 Minuten

Aber so abgedroschen dieser Satz auch klingen mag, so wenig scheint dieser Grundsatz in den Schadenabteilungen der Versicherer angekommen zu sein. Aber selbst wenn dem nicht so sein sollte, legt die Schadenpraxis doch oft das Gegenteil nahe.

Als regelhaftes Beispiel sei hier ein Verfahren vor dem Amtsgericht München genannt, bei dem es auf Reparaturkostenseite um die Zahlung von 134,11 Euro netto ging. Zum Prozess war es gekommen, weil der eintrittspflichtige Versicherer die Entschädigung für einzelne Arbeitsschritte mit der Behauptung verweigerte, diese seien bereits in den Grundkosten enthalten. Konkret ging es dabei um die Entsorgung von Altteilen, den Aufwand des Umsetzens des Fahrzeugs von der Karosserie- in die Lackierabteilung sowie die Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen vor der Ofentrocknung.

Es ging um einen Betrugsvorwurf ins Blaue hinein!

Der Versicherer hat pauschal und ohne dass hierfür Anhaltspunkte oder gar Beweise vorlagen bestritten, dass die genannten Arbeitsschritte überhaupt durchgeführt worden seien. Im Klartext ging es also um nicht anders als um den Vorwurf, die Werkstatt wolle den Versicherer betrügen. Haltbar war das nicht und da der Versicherer keinerlei Anhaltspunkte lieferte, auch ohne jede Relevanz.

Der subjektive Schadenbegriff entscheidet – nach wie vor!

Ob die vom Versicherer bestrittenen Positionen zu vergüten waren, machte das Gericht davon abhängig, ob der Geschädigte diese für erforderlich halten durfte. Darauf, ob der Sachverständige sie in seinem Gutachten erwähnte hatte, kam es schon deshalb nicht an, weil die bestrittenen Positionen nicht außerhalb des Reparaturweges lagen und ohne Unfallbezug abgerechnet worden waren. Der Geschädigte durfte sie deshalb schon von daher für erforderlich halten. Ob der Geschädigte weiß, wie die Arbeitsschritte im Detail durchgeführt werden, ist für den Anspruch auf Entschädigung ohne Bedeutung. Hinzu kommt, dass der Geschädigte in der Regel ohnehin ein Laie ist und die einzelnen Reparaturabläufe weder tatsächlich noch fachlich kontrollieren oder hinterfragen kann.

Folglich darf ein Geschädigter, wie es das AG München treffend auf den Punkt bringt, „darauf vertrauen, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht, nicht in dem Umfang oder nicht notwendigerweise erbracht wurden…“. Etwas Anderes gilt lediglich, wenn den Schädiger diesbezüglich ein derart grobes Verschulden zur Last fällt, dass sie dem Schädiger nicht mehr zugerechnet werden können. Das ist auch in Ordnung. Denn warum sollte ein Versicherer z.B. die Lackierung der Front bezahlen, wenn nur das Heck beschädigt war und die Position daher eindeutig außerhalb des Reparaturwegs liegt? Schließlich hat auch die Ersetzungsbefugnis ihre Grenzen. Innerhalb dieser Grenzen ist er Geschädigte aber durch das Werkstattrisiko geschützt.

Greift die Grundkostenbehauptung?

Die Behauptung Entsorgung, Arbeitsplatzwechsel, Sicherheitsmaßnahmen, etc. seien standardmäßig in den Grundkosten enthalten, ist als solche nicht nur falsch, sondern schlichtweg eine Behauptung ins Blaue hinein. Es mag ja sein, dass manchen Bertriebe diese Positionen tatsächlich nicht berechnen. Wo dies der Fall ist, beruht dies aber einzig und allein auf einer autonom getroffenen, nicht verallgemeinerungsfähigen, betriebswirtschaftlichen Entscheidung der Werkstatt.

Nichts Anderes hatte übrigens auch der BGH in seiner – beinahe schon als  Grundsatzurteil zu wertenden – Entscheidung zur Abrechnungsfähigkeit der mit dem Hygienekonzept eines Sachverständigen verbundenen Kosten entschieden (Urteil des VI. Zivilsenats vom 13.12.2022, Az. VI ZR 324/21)

Wörtlich heißt es dort:

„Ebenso wie die Wahl seines individuellen Hygienekonzepts selbst steht auch die betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob die hierfür anfallenden Kosten gesondert ausgewiesen oder als interne Kosten der Arbeitssicherung in die Kalkulation des Grundhonorars “eingepreist” werden, grundsätzlich dem Sachverständigen als Unternehmer zu.“

Diese Aussage lässt sich 1:1 auf Werkstätten und die Abrechnung der einzelnen Reparaturschritte übertragen.

Es kann daher auch nicht verwundern, wenn auch andere Gerichte Kannte zeigen. So heißt es z.B. in einem ein einem Urteil des AG Steinfurt vom 18.04.2023, Az. 21 C 260/22: “Im Übrigen steht der Werkstatt die Entscheidung zu, ob diese Kosten konkret dem jeweiligen Kunden in Rechnung gestellt werden oder allgemein in der Preisgestaltung im Rahmen des Stundensatzes miteingeschlossen werden und so auf alle Kunden umgelegt werden. Gleiches gilt im Grundsatz für die Entsorgungskosten.”

Fazit

Das Verfahren darf als Beleg für die gängige Praxis der Versicherer gewertet werden, die Bezahlung vergleichsweise geringer Beträge zu verweigern und darauf zu hoffen, die Werkstatt werde den Aufwand der Geltendmachung scheuen und die Forderung abschreiben. In Hinblick auf die damit verbundene Verringerung der Schadenaufwendungen, mag das aus Sicht des Versicherers auch Sinn machen. Rechtskonform ist es aber nicht.

Betriebe sollten sich daher nicht scheuen, auch kleinere Beträge anwaltlich und ggf. auch gerichtlich gegenüber dem Versicherer geltend zu machen. Sprechen Sie mit uns!

Wir kennen uns damit aus und regeln das für Sie!

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