OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.01.2025, Az. 1 U 64/24
Ein solcher „Klassiker“, mit dem sich kürzlich auch das OLG Zweibrücken zu befassen hatte, ist das Ende eines Radweges an einer querenden Straße. Die Besonderheit des Sachverhalts lag allerdings darin, dass sich der Unfall nicht im Einmündungsbereich einer Straße, sondern in einer vor dieser Einmündung befindlichen, die Fahrbahn kreuzenden Furt ereignete. Entscheidend war, dass diese Furt erkennbar nicht mehr zu dem zunächst entlang der Straße verlaufenden, für Radfahrer freigegebenen Gehweg gehörte.
Grundsätzlich folgt ein Radweg bei der Bestimmung des Vorfahrtsrechts der Straße, zu der er gehört, sofern er sich auch nach dem äußeren Erscheinungsbild, auf das es maßgeblich ankommt, als Teil der Straße darstellt. Weicht der Radweg im Einmündungsbereich deutlich von der bevorrechtigten Straße ab, endet der Vorrang.
Wer als Radfahrer die einmündende Straße auf einer Furt überquert, muss sein Fahrverhalten an § 10 Satz 1 StVO ausrichten. Als derjenige, der aus einem anderen Straßenteil oder über einen abgesenkten Bordstein in die Fahrbahn einfahren will, muss er sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Beachtet er dies nicht und kommt es in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren zu einer Kollision mit einem anderen Verkehrsteilnehmer, so spricht der Beweis des ersten Anscheins nach § 10 Satz 1 StVO für einen schuldhaften Verstoß.
Diesen Anscheinsbeweis muss der Radfahrer dann erschüttern (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v.13.08.2020, Az. 4 U 6/20). Aber selbst wenn dies nicht gelingt, heißt das noch nicht zwingend, dass der Radfahrer allein haftet.
Denn auch wenn ein Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO grundsätzlich schwer wiegt und im Einzelfall die nicht erhöhte Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs vollständig zurücktreten lassen kann, kommt es bei der Haftungsabwägung darauf an, wie das Verschulden des Radfahrers im Einzelfall zu gewichten ist (vgl. OLG München, Urt. v. 25.11.2020, Az. 10 U 2847/20; OLG Hamm, Beschl. v. 10.04.2018, Az. 7 U 5/18; OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.02.2014, Az. 4 U 59/13).
In dem vom OLG Zweibrücken zu entscheidenden Sachverhalt war entscheidend, dass der Radfahrer vor dem Einfahren in die Furt nicht nur eine ausreichend weite Sicht in die Zufahrtsstraße hatte, sondern darüber hinaus – offensichtlich in Verkennung der Vorfahrtssituation – mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h bis maximal 15 km/h in einem Zug in die querende Furt einfuhr.
Da aber auch der Autofahrer freie Sicht hatte und aufgrund der besonderen Verkehrssituation (Ende des Radweges und durch gestrichelte Linien auf der Fahrbahn gekennzeichnete Furt) hätte er besondere Aufmerksamkeit walten lassen müssen.
Allerdings war auch zu berücksichtigen, dass im Einmündungsbereich der Furt zwar keine den Radverkehr besonders regelnde Beschilderung vorhanden war, aber aufgrund der Verschwenkung des Radweges und dem damit verbundenen Ende des Vorranges des Radweges mit querenden Radfahrern zu rechnen war.
Die Betriebsgefahr konnte somit nicht vollständig zurücktreten und es ergab sich eine Haftungsverteilung von 80 zu 20 % zu Lasten des Radfahrers. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Radfahrer seinerseits Ansprüche im Wege der Widerklage geltend machte und neben dem Schaden an seinem Pedelec insbesondere Schmerzensgeld forderte. Da ihn jedoch ein Mitverschulden in Höhe von 80 % traf, hatte er mit der Klage auch nur zu 20 % Erfolg.
Wenn Autofahrer und Radfahrer sich im Straßenverkehr begegnen, geht es nicht immer glimpflich aus. Sollten Sie in einen solchen Unfall verwickelt worden sein, kontaktieren Sie uns!
Auch bei Unfällen zwischen Autos und Radfahrern gilt: Voigt regelt!