Angehende LKW-Fahrer lernen die Durchführung der Abfahrtskotrolle bereits während ihrer Ausbildung. Bei gestandenen Chauffeuren sollte sie zum Standardrepertoire zählen.
Die Pflicht zur Durchführung der Abfahrtskontrolle folgt nicht nur aus § 23 StVO. Auch § 36 I DGUV 70 verpflichtet den Fahrzeugführer explizit dazu, vor Beginn jeder Arbeitsschicht die Wirksamkeit der Betätigungs- und Sicherheitseinrichtungen zu prüfen und während der Arbeitsschicht den Zustand des Fahrzeugs auf augenfällige Mängel hin zu beobachten. Werden Mängel festgestellt, die die Betriebssicherheit gefährden, darf die Fahrt entweder gar nicht erst begonnen werden oder sie ist unverzüglich zu beenden.
Gemäß § 31 Abs. 2 StVZO muss der Führer eines Fahrzeugs zur selbstständigen Leitung geeignet sein und das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, die Ladung oder die Besetzung müssen sich in einem vorschriftsmäßigen Zustand befinden. Das bedeutet: Die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs darf weder durch die Ladung noch durch die Besetzung leiden.
Die Durchführung der Abfahrtskontrolle ist für den jeweiligen Fahrer verpflichtend. Ob er das Fahrzeug zu Arbeitsbeginn erstmalig in Betrieb nimmt oder von einem Kollegen übernimmt, ist dabei irrelevant. Der Kollege hätte etwaige Mängel zwar mitzuteilen. Ob er das aber auch tut, ist eine andere Sache. Jedenfalls ist es bei der Kontrolle nicht mit einem einfachen „Herumgehen um das Fahrzeug“ getan.
Dies gilt selbst dann, wenn das Fahrzeug Beleuchtungseinrichtungen, Flüssigkeitsstände den Luftdruck der Reifen oder die Funktion der Kontrollleuchten automatisiert überprüft.
Die Papiere, das Reifenprofil die Verschlüsse sowie die Ladungssicherung muss der Fahrer immer noch selber kontrollieren. Dies gilt auch für die Nachsicherung der Ladung, z.B. durch Festziehen gelockerter Gurte oder das (Wieder)verschließen von Twistlocks. Es ist ja nicht auszuschließen, dass „Scherzbolde“ am Fahrzeug zugange waren und ursprünglich vorhandene Sicherungs- oder Betriebsmittel während der Ruhezeit abhandengekommen sind.
Konnte der Fahrer keine gravierenden Mängel feststellen und sind auch Antrieb, Lenkung und Bremse in Ordnung, kann er das (tunlichst vorhandene) Prüfprotokoll unterschreiben und die Fahrt antreten.
Bei sicherheitsrelevanten Mängeln sollte er das Fahrzeug – im Sinne der eigenen sowie der Verkehrssicherheit – aber stehen lassen und das Unternehmen informieren. Ist ein Mangel nicht direkt vor Ort behebbar, kann – einzelfallabhängig – die Fahrt zu einer Werkstatt noch vertretbar sein.
Wie wichtig die Abfahrtskontrolle ist, verdeutlicht z.B. ein Urteil des Landgerichts Kassel vom 15.11.2017, Az. 4 O 836/14. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war hatten sich während der Fahrt größere Teile der Decke des Reifens eines Sattelzuges gelöst und waren auf der mittleren Fahrspur der Autobahn liegengeblieben. In der Folge war es zu Verkehrsunfällen gekommen, bei denen auch ein Motorradfahrer stürzte und schwer verletzt wurde,
Das Gericht sah in dem Reifenplatzer auf der Autobahn zwar die die Ursache für das Brems- und Ausweichmanöver des nachfolgenden Verkehrs und den Sturz des Motorradfahrers. Eine Haftung zu lasten des LKWs lehnte es jedoch ab.
In dem Reifenplatzer sah es nicht ein unabwendbares Ereignis, sondern ein Versagen der Fahrzeugvorrichtungen. Das gilt auch, wenn der Reifen einen versteckten Materialfehler hatte.
Hinsichtlich des Sturzes sah das Gericht es als nicht erwiesen an, dass der Fahrer des Sattelzugs den Sturz verursacht hat und für ihn verantwortlich ist. Dies begründete es insbesondere damit, dass der LKW-Reifen erst etwa ein Jahr alt war und der Fahrer erklärt hatte, dass er vor der Fahrt in Georgsmarienhütte eine Abfahrtskontrolle durchgeführt hatte. Dabei wurden auch die Reifen, d.h. sowohl das Reifenprofil als auch der Reifenluftdruck seien worden. Da keine Auffälligkeiten feststellbar waren, konnte ihm der Reifenplatzer nicht zugerechnet werden.
Das OLG Frankfurt stellte in seinem Urteil vom 10.12.2019, Az. 25 U 144/17 fest, dass bei einem berührungslosen Unfall Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis ist, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Durchführung der Abfahrtskontrolle bereits zur Arbeitszeit zählt und der Tachograph entsprechend einzustellen ist. Beginnt die Aufzeichnung direkt mit der Lenkzeit, wird bei einer Kontrolle unterstellt, dass keine Abfahrtkontrolle durchgeführt worden ist.
Bildnachweis: Landespolizeipräsidium Saarland
Aktualisiert am 12.05.2025