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Seitenabstand

Informationen
31.03.2025

Beim Seitenabstand sind insbesondere der Abstand zu überholten und entgegenkommenden Fahrzeugen sowie der Abstand zum Fahrbahnrand zu beachten.

Seitenabstand beim Überholen

Wer ein fahrendes Fahrzeug überholt, muss gemäß § 5 Absatz 4 Satz 2 StVO einen ausreichenden Seitenabstand einhalten. In § 5 Absatz 4 Satz 3 StVO wird dieser für das Überholen von FußgängernRad- und Elektrokleinstfahrzeugfahrern auf mindestens 1,5 Metern innerhalb und mindestens 2,0 Metern außerhalb geschlossener Ortschaften festgesetzt.

Die Umstände des Einzelfalls sind entscheidend!

In einem Urteil des OLG Celle vom 01.11.2018 (Az. 14 U 61/18) heißt es z.B.:

„Wie groß der Abstand im konkreten Fall zu sein hat, ist eine Frage des Einzelfalles. Dabei kommt es auf die Verkehrslage, Geschwindigkeit und die bauliche Situation, insbesondere die Breite der Straße, sowie die Art der beteiligten Fahrzeuge an. Auf einer breiteren Straße ist ein größerer Abstand zu erwarten, wobei bei großen Fahrzeugen, wie Lastkraftwagen, die unter Umständen einen Luftsog verursachen, auch ein größerer Abstand erforderlich sein kann.

Unter normalen Bedingungen sollte ein Meter ausreichen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.06.2001, Az. 1 U 77/01). Wird dieser Abstand nicht eingehalten, können eine Haftungsquote oder -teilung z.B. dann in Betracht kommen, wenn mit zu geringem Abstand an der geöffneten Tür vorbeigefahren wird (OLG Frankfurt, Urt. v. 28.01.2014, Az. 16 U 103/13. Einzelfallabhängig kann der beim Vorbeifahren einzuhaltende Seitenabstand aber auch durchaus geringer sein als der beim Überholen und bei der Begegnung regelmäßig verlangte Mindestabstand von 1 m (OLG Köln, Beschl. v. 10.07.2014, Az. I-19 U 57/14).

Das Kammergericht konstatierte in einem Hinweisbeschluss vom 14.11.2024, Az. 25 U 85/24 dass der gemäß § Abs. 4 S. 2 StVO beim Überholen einzuhaltende ausreichende Seitenabstand von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. z.B. KG, Beschl. v. 21.02.2007, Az. 12 U 124/06). Die insoweit maßgebenden Umstände (vgl. z.B. OLG Brandenburg, Urt. v. 07.04.2011, Az. 12 U 6/11), insbesondere die Straßenführung (gerade Strecke), der Straßenbelag (Asphalt), die gefahrenen Geschwindigkeiten (um die 50 km/h) legen hier keinen besonders großen Abstand als erforderlich nahe. Dies kann im Ergebnis aber offenbleiben.

35 cm Abstand reichen nicht!

Ungeachtet dessen soll der Seitenabstand beim Passieren so bemessen sein, dass ein (mindestens) geringfügiges Öffnen einer Fahrzeugtür noch möglich ist (BGH, Urteil vom 16.09.1986, Az. VI ZR 151/85; LG Saarbrücken, Beschl. v. 12.09.2017, Az. 13 S 69/17). 34-35 Zentimeter reichen hierfür nicht aus (BGH, Urt. v. 03.07.1956 – Az. VI ZR 59/55; AG Frankenthal, Urt. v. 26.06.2020, Az. 3c C 61/19). 50 Zentimeter können dagegen schon genügen (KG Berlin, Beschl. v. 30.07.2009, Az. 12 U 175/08, m. w. N.).

Wer allerdings mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h und einem sehr geringen Seitenabstand von weniger als einem Meter an der innerorts liegengebliebenen Arbeitsmaschine vorbeifährt, an der Starthilfe geleistet wird, verhält sich verkehrswidrig und rücksichtslos, da er seine Fahrweise nicht – gemäß der aus § 3 Abs. 1 StVO folgenden Pflicht – den Verkehrsverhältnissen anpasst. Außerdem verstößt er gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme nach § 1 StVO. Beides kann einen Ausschluss des Mitverschuldens des Geschädigten nach sich ziehen (OLG Dresden, Urt. v. 28.04.2017, Az. 6 U 1780/16).

Zudem soll ein Seitenabstand von unter 1 m auch dann nicht genügen, wenn auf dem Seitenstreifen neben der Fahrbahn ein Pkw mit geöffneter Fahrzeugtür steht und jederzeit mit einem weiteren Öffnen der Tür gerechnet werden muss oder in der geöffneten Fahrzeugtür eine Person steht (LG Saarbrücken, Urt. v. 15.02.2024, Az. 13 S 28/12; v. 10.11.2023, Az. 13 S 8/23).

Beim Einfahren in eine Parklücke gilt, dass der einfahrende Fahrzeugführer darauf zu achten hat, ob sich noch Personen im Fahrzeug befinden und muss mit dem Aussteigen selbiger rechnen, § 1 StVO (LG Hagen, Urt. v. 20.12.2017, Az. 3 S 46/17; LG Amberg, Endurteil v. 19.07.2017, Az. 24 S 77/17).

Einem Urteil des OLG Saarbrücken zufolge, reicht bei einer langsamen Bergauffahrt beim Überholen eines Fahrradfahrers ein Seitenabstand von 1,30 Meter aus. Dem Gericht zufolge gilt dies insbesondere dann, wenn an einer Stelle überholt wird, die wegen des Straßenverlaufs über mehrere Kilometer hinweg die einzige Überholmöglichkeit bietet (Urt. v. 18.06.2020, Az. 4 U 4/19). Beim Überholen eines Radfahrers durch einen anderen Radfahrer genügt in der Regel ein Abstand zwischen den Fahrenden – nicht zwischen den Lenkern – von einem Meter. Mitentscheidend war, dass das Gericht Pedelecs nicht als Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) eingestuft hat, weshalb weder die Gefährdungshaftung noch das seitliche Abstandsgebot von 1,5 Metern beim innerörtlichen Überholen gilt. (OLG Schleswig, Beschl. v. 19.9.2024, Az. 7 U 29/24).

Die Regeln für den Mindestabstand gelten auch für den Begegnungsverkehr, da bei Radfahrern immer mit gewissen Schwankungen in der Fahrweise zu rechnen ist (OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2024, Az. 12 U 118/24, Zurückweisung der Berufung, Beschl. v. 21.01.2025).

Dennoch müssen Überholende auf die Fahrweise des Eingeholten Rücksicht nehmen, der nicht gefährdet werden darf. Insbesondere muss sich der Überholende auch auf die Möglichkeit geringfügiger seitlicher Fahrbewegungen eines Radfahrers, insbesondere dessen häufig leicht schwankende Fahrlinie berücksichtigen. Das Überholen mehrerer Fahrzeuge einer Kolonne ist grundsätzlich nicht verboten, jedoch folgt hieraus eine erhöhte Sorgfaltspflicht (OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.12.2022, Az. 4 U 136/21).

Beim Überholen von Fahrzeugen des ÖPNV wie Linienbussen, Straßenbahnen und Schulbussen darf gemäß § 20 Abs. 2 und 4 StVO nur mit „einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist.“ Regelmäßig sind hier ebenfalls mindestens 2,0 Meter einzuhalten.

Seitenabstand zum Fahrbahnrand

Der Seitenabstand zum Fahrbahnrand sollte zwischen mindestens 0,5 bis 1 m betragen (z.B. OLG Celle Urt. v. 06. 11. 2018, Az. 14 U 61/18). Dem entsprechend hat z.B. das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen festgestellt, dass ein Fahrzeugführer, der mit einem Sicherheitsabstand von 0,5 m vom rechten Bordstein fährt, nicht gegen das Rechtsfahrgebot verstößt (Hans. OLG Bremen, Urt. v. 13.12.1978, Az. 3 U 34/78). Das OLG Hamm hat für einen Pkw mit Anhänger im Bereich eines Fußgängerüberwegs einen Sicherheitsabstand von 0,6 m für ausreichend erachtet, wobei allerdings die konkrete Ausgestaltung, der Fahrbahnbreite und die Verkehrslage ebenfalls eine Rolle spielen (Urt. v. 14.07.2003, Az. 6 U 39/03).

Seitenabstand zu entgegenkommenden Fahrzeugen

Der Sicherheitsabstand zu entgegenkommenden Fahrzeugen muss untereinander mindestens 1 m betragen, wobei mindestens die Hälfte dieses Abstandes in der jeweiligen Fahrbahnhälfte frei bleiben muss (OLG München, Endurteil v. 02.06.2021, Az. 10 U 7512/20). Ist dies – auch bei vorsichtiger Fahrweise und niedriger Geschwindigkeit – nicht möglich, haben im Zweifel beide Fahrzeugführer anzuhalten und sich darüber zu verständigen, welcher von ihnen am stehenden Fahrzeug des anderen in langsamer Fahrt vorbeifährt (OLG Hamm, Urt. v. 07.06.2016, Az. 9 U 59/14).

Auch Radfahrer müssen den Seitenabstand beachten!

Zumindest dem OLG Karlsruhe zufolge, müssen Radfahrer grundsätzlich mit Schwankungen in der Fahrlinie eines vorausfahrenden Radfahrers rechnen. Ein Seitenabstand von ca. 32 cm beim Überholen (gemessen zwischen den Körpern der beiden Radfahrer) ist daher – jedenfalls auf einem unebenen Sand-Schotter-Weg – in der Regel zu gering. Sollte auf einem 2 Meter breiten Radweg ein Überholen mit ausreichendem Seitenabstand nicht möglich sein, muss der schnellere Radfahrer gegebenenfalls vom Überholen absehen. Etwas anderes kann gelten, wenn vor dem Überholvorgang eine Verständigung zwischen den Radfahrern stattgefunden hat (Urt. v. 30.05.2016, Az. 9 U 115/15).

Radfahrer und Pferde / Reiter

Aber auch zu anderen Verkehrsteilnehmern müssen Radfahrer beim Überholen einen ausreichenden Seitenabstand ein. Dieser beträgt z.B. beim Passieren von Pferden wenigstens 1,5 bis etwa 2 Meter. Wenn ein größerer Abstand als 1 Meter aufgrund der geringen Breite des Radweges nicht eingehalten werden kann, sind Radfahrer verpflichtet, sich entweder mit den Reitern über die Möglichkeit eines Passierens oder eines Ausweichortes zu verständigen (LG Frankenthal, Urt. v. 05.06.2020, Az. 4 O 10/19).

Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass ein tierspezifisches Verhalten im Straßenverkehr selbst bei einem sehr gefestigten Tier nie vollständig ausgeschlossen werden kann und auch objektiv geringe Reize wie Spiegelungen oder Schatten den Fluchtreflex auslösen können. Eine straßenverkehrsrechtliche Pflicht, jegliches Vorbeifahren an Pferden zu unterlassen besteht daher zwar nicht. Allerdings kann ein Fehlverhalten nur bei einem Vorbeifahren in Sicherheitsabstand ausgeschlossen werden (OLG Nürnberg, Urt. v. 12.09.2024, Az. 13 U 3960/21).

Radfahrer und Fußgänger

Auf gemeinsamen Geh- und Radweg gemäß Zeichen 24, sollten Radfahrer in Hinblick auf Fußgänger ohnehin eine gesteigerte Aufmerksamkeit an den Tag legen.

Tritt z.B. ein Fußgänger aus einem Hofeingang auf einen gemeinsamen Geh- und Radweg gemäß Zeichen 240 zu § 41 StVO, muss er nicht mit einem nah an der Fassade entlangfahrenden Radfahrer rechnen. Er haftet deshalb nicht für Schäden, die durch eine Kollision in dieser Situation entstehen.

Dem OLG Frankfurt zufolge (Urt. v. 09.10.2022, Az. 22 U 10/11) erscheint als lebensfremde Überspannung allgemeiner Sorgfaltspflichten, einem Fußgänger in der Situation der Beklagten aufzuerlegen, vor Verlassen eines Grundstücks und Betreten des öffentlichen Gehwegs zunächst gleichsam um die Ecke zu „lugen“, ob sich auf dem Gehweg etwas bewege. Gefordert ist hier vielmehr der Radfahrer, den höhere Sorgfaltspflichten als den Fußgänger treffen (s.a. LG Wiesbaden, Urt. v. 02.07.2024, Az. 9 S 3/24). 

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Ansprechpartner

Stephan Schmid

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