Dies war insbesondere deshalb erfreulich, weil es nach Aussage des Leiters des Arbeitskreis VII, Burkhard Pauge, RiBGH a.D., keine belastbaren Zahlen über Schwerstverletzte gebe. Validen Schätzungen zufolge, sei aber davon auszugehen, dass pro Jahr ca. 70.000 Menschen im Straßenverkehr schwere Verletzungen erlitten, von denen ca. zehn Prozent Schwerstverletzte seien.
Dr. Johannes Vöcking, stellv. Vorstandsvorsitzender der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, schloss sich dem in seinem Referat an. Dabei ging er darauf ein, dass Schwerstverletzte in der Regel keine Lobby hätten. Hinzu komme, dass vielen Menschen mit einer Verletzung des zentralen Nervensystems, diese gar nicht anzusehen sei. In diesem Zusammenhang berichtete Vöcking von dem eindrucksvollen Fall eins jugendlichen Unfallopfers, das durch seine plötzlichen Bewusstlosigkeiten erheblich in seiner Lebensführung eingeschränkt ist. Da ihm dies aber niemand ansehe, werde es auch nicht beachtet. Dieses junge Unfallopfer habe daher einmal den Wunsch geäußert, es hätte bei dem Unfall auch einen Arm verlieren sollen; dann würden seine Probleme wenigstens in der Gesellschaft wahrgenommen.
Der ärztliche Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen, Prof. Dr. med. Paul A. Grützner, wies darauf hin, dass es bei Schwerstverletzten oft zu Reha-Lücken komme. Erfahrungsgemäß würden Verletzte oft viel zu früh und zu einem Zeitpunkt aus dem erstversorgenden Krankenhaus entlassen, zu dem sie noch nicht rehabilitationsfähig seien.
In der Zwischenzeit kämen sie dann in Kurzzeitpflege. Dort fände jedoch keine Behandlung statt, so dass wertvolle Zeit verstreiche.
Die Situation der bei Privatunfällen Verletzten, würde sich erheblich von den bg-lich versicherten Unfallopfern unterscheiden. Anders als beispielsweise die Krankenkassen, hätten die Berufsgenossenschaften ein einheitliches Rehamanagement etabliert. Bei Schwerstverletzten, die nicht Opfer eines Arbeitsunfalls geworden seien, spiele daher die Rolle der unterschiedlichen Kostenträger für die Akut- und Nachbehandlung und die damit verbundenen Schnittstellen eine erhebliche Rolle.
RA Bernd Höke, damaliger Geschäftsführer der ETL Kanzlei Voigt Rechtsanwalts GmbH, erläuterte die Abgrenzung zwischen vermehrten Bedürfnissen und Schmerzensgeld. Zunächst sei es Aufgabe des Schädigers, die Lebensumstände eines Schwerverletzten durch Behandlungen, Hilfsmittel und sonstige materielle Unterstützung, möglichst eng an die Situation vor dem Unfall anzupassen. Nur wo das unmöglich sei, seien verbleibende Einschränkungen der Lebensqualität durch Schmerzensgelder auszugleichen. Höke analysierte Urteile, die den Geschädigten zwar den Umbau ihres Autos, nicht aber auch der Umbau eines Zweirades zugesprochen hatten. Die Gerichte werteten den Zweiradumbau als Freizeitvergnügen, welches grundsätzlich durch Schmerzensgeldzahlungen zu kompensieren sei.
In diesem Zusammenhang wies Höke darauf hin, dass in den Fällen als Besonderheit, das Schmerzensgeld bereits abschließend verglichen worden war. Einen Grundsatz, wonach ein zusätzlicher Motoradumbau nicht erstattet werden müsse, existiere daher nicht.
Wie sehr die Entschädigungspraxis mitunter die Bedürfnisse und die Realität der Geschädigten verkennen würde, verdeutlichte Höke anhand eines Falles, in dem ein Unfallopfer mit Querschnittlähmung und zusätzlichem Armverlust von der Krankenkasse einen Standardrollstuhl bekam, mit dem er konstruktionsbedingt nur im Kreis fahren konnte.
In seinem abschließenden Vortrag wies Ulrich Werwigk, Senior Manager Swiss Re, darauf hin, dass es mitunter auch die Geschädigten seien, die mit maßlosen Forderungen in der Unfallschadensregulierung zu Problemen führen. Er benannte einen Fall, in dem die Mutter, als Verursacherin des Unfalls, bei dem ihr Kind schwer verletzt wurde, allein für die Koordinierung des Pflegepersonals 6.000 € monatlich als Aufwandsentschädigung verlangte, obwohl das Pflegepersonal auch von der Haftpflichtversicherung der Mutter bezahlt wurde.
Die anschließende lebhafte Diskussion war sachlich und vom Verständnis für entgegenstehende Interessenlagen geprägt. Insbesondere fragten sich die Arbeitskreisteilnehmer, wie man das Reha-Management der Unfallkassen auch auf anderer Schwerverletzte übertragen könne. Oder wie man als Haftpflichtversicherer im oben genannten Fall einen Rollstuhl für Einarmige zur Verfügung stellen kann, ohne eine doppelte Inanspruchnahme durch die Krankenkasse befürchten zu müssen.
Zum Abschluss des Arbeitskreises hatte man sich auf folgende Entschließung geeinigt, die man dem Gesetzgeber und den am Entschädigungsprozess beteiligten Parteien mit auf den Weg gab:
Reha-Lücke) nach dem Modell der gesetzlichen Unfallversicherung zu beheben.
Code of Conduct für das Reha-Managementder Arge Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein frühzeitig eingeleitet werden.