Sowohl das Amtsgericht (AG) Dortmund (Urt. v. 10.07.2018, Az. 425 C 2383/18) als auch das Oberlandesgericht (OLG) Celle (Beschl. v. 07.05.2018 – Az. 14 U 60/18) gelangten zu dem Schluss, dass der Hintermann in dem jeweils zu beurteilenden Sachverhalt nicht richtig reagiert habe.
Wenn es zum Auffahrunfall kommt, gilt der sogenannte Anscheinsbeweis. Danach wird zunächst vermutet, dass der Auffahrende den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO gebotenen Sicherheitsabstand zum Vordermann nicht eingehalten hat oder – z.B. durch eine unerlaubte Handybenutzung – abgelenkt war. Damit steht dem ersten Anschein nach auch fest, wer den Unfall verursacht hat. Daher rührt auch das bekannte Wer auffährt, ist schuld
Prinzip.
Allerdings: Wer A sagt, muss auch B sagen!
Daher heißt es in § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO: Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen.
Doch wann liegt ein solcher zwingender Grund an einer Ampel vor? Wenn die Ampel auf Rot springt, ist die Lage eindeutig. Doch wie sieht es bei anderen Konstellationen aus?
Zwei Fahrzeuge fuhren auf eine Ampel zu, die Grün zeigte. Als die Ampel auf Gelb umsprang, bremste das vorausfahrende Fahrzeug und kam 1,5 Meter hinter der Haltelinie zum Stehen – der Hintermann fuhr auf und sollte für den Schaden vollständig haften. Damit wollte er sich jedoch nicht zufrieden geben. Aus seiner Sicht hatte der Vordermann unzulässig gebremst und so den Unfall verursacht. Der Halter des zog somit mit eigenen Schadensersatzansprüchen vor Gericht.
Das Landgericht Hannover teilte diese Auffassung jedoch nicht und wies die Klage mit Urteil vom 19.03.2018 (Az. 12 O 28/16) ab. Dagegen ging er in Berufung, doch auch hier ohne Erfolg. Mit Beschluss vom 07.05.2018 (Az. 14 U 60/18) wies das OLG Celle darauf hin, dass der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs richtig gehandelt habe. Begründet hat es dies mit dem Wortlaut des § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 5 StVO: “Gelb ordnet an: Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten.”
Der Kreuzungsbereich sei noch nicht erreicht gewesen und so habe das nachfolgende Fahrzeug auch mit einem abrupten, plötzlichen Bremsen rechnen müssen.
Etwas anders gestaltete sich der Fall, den das AG Dortmund zu entscheiden hatte. Hier standen beide Fahrzeuge hinter einander an einer roten Ampel. Als diese auf Grün umsprang, fuhren beide Fahrzeuge an. Jedoch bremste das vorausfahrende Fahrzeug für eine Taube und das hintere Fahrzeug fuhr auf. Die Halterin des hinteren Fahrzeuges wollte zumindest einen Großteil ihres Schadens (80%) vom Vordermann erstattet wissen und zog sogar vor Gericht.
Auch ihre Klage war ohne Erfolg. Das Gericht ging vom Anscheinsbeweis des Auffahrunfalls aus, den die Halterin nicht erschüttern konnte. Dazu heißt es im Urteil: Es mag sein, dass der Fahrer des Fahrzeugs der Klägerin beim Anfahren an einer Kreuzung eine große Anzahl an möglichen Gefahren beachten muss. Gerade deshalb hat er jedoch den nötigen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug herzustellen und einzuhalten sowie stets bremsbereit zu sein. Besonders im Stadtgebiet muss man stets damit rechnen, dass sich Gegenstände, die für den Hinterherfahrenden nicht oder nicht gut sichtbar sind, auf der Fahrbahn befinden.
Gleichzeitig stellte das Gericht klar, dass das vorausfahrende Fahrzeug sehr wohl für die Taube gebremst werden durfte. Immerhin stellt das Töten eines Wirbeltiers nach § 4 Abs. 1 und § 18 TierSchutzG eine Ordnungswidrigkeit dar. In Anbetracht der gefahrenen Geschwindigkeit und der drohenden Schäden an den Fahrzeugen, sei eine Abwägung zum Nachteil der Taube nicht angebracht.
Wer sich einer Kreuzung nährt oder an einer Kreuzung anfährt, muss auch damit rechnen, dass vorausfahrende Fahrzeuge durchaus auch bremsen können – sei es, weil die Ampel auf Gelb umspringt oder ein Tier auf die Fahrbahn läuft. Mit der angemessenen gegenseitigen Rücksichtnahme lassen sich zahlreiche Unfälle vermeiden. Sollten Sie dennoch bei einem Unfall zu Schaden kommen, steht Ihnen das erfahrene Team der ETL Kanzlei Voigt mit Rat und Tat zur Seite. Voigt regelt!