Bei schwersten Verletzungen, bei denen der Geschädigte also tagtäglich unter den Folgen seiner Körperverletzung zu leiden hat, haben die Gerichte die Möglichkeit, neben einem Grundbetrag an Schmerzensgeld auch eine monatlich auszuzahlende Schmerzensgeldrente auszuurteilen. Der Modus der Auszahlung sollte die Höhe das Gesamtschmerzensgeldes nicht beeinträchtigen. Dies wird erreicht, indem das Gericht die weitere Lebenserwartung des Geschädigten berücksichtigt, sodass er in Summe in etwa das erhält, was er auch in Form einer Einmalzahlung bekommen würde. Aus Praktikabilitätsgründen machen die deutschen Gerichte hiervon aber immer weniger Gebrauch. Stattdessen wird das Schmerzensgeld zunehmend als Einmalbetrag ausgeurteilt und in einer Summe gezahlt. Dahinter steht der Gedanke, dass der Geschädigte sich von der Erträgen des Kapitalstammes Annehmlichkeiten für seine Lebensführung finanzieren kann, um so sein Leid zu kompensieren.
Die „Schallmauer“ der Schmerzensgeldhöhe lag lange bei 1 Mio. DM, angepasst also 500.000 €. In letzter Zeit haben einige Gerichte diese Schallmauer aber durchbrochen und noch höhere Schmerzensgelder ausgeurteilt. Die Sachverhalte, die diesen Urteilen zu Grunde lagen, hatten jeweils zwei Aspekte gemeinsam: Einerseits waren die Betroffen schwerstgeschädigt und somit Pflegefälle. Zum anderen waren sie zum Zeitpunkt der Schädigung Kinder oder Jugendliche. Mithin wurde ihr ganzes Leben zerstört.
Das OLG Schleswig hat nun einem Radfahrer, der nach einem Unfall querschnittsgelähmt war und beide Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte, nach einem Unfall ein Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 € zugesprochen (Urt. v. 28.09.2021, Az. 7 U 29/16). Auch er wurde zum Pflegefall aber – und das ist die Besonderheit- er war zum Zeitpunkt des Unfalls „schon“ 35 Jahre alt. Das OLG begründete die Schmerzensgeldhöhe mit einem wirtschaftlich sehr überzeugenden Argument: Der Kapitalstamm soll gerade dem Geschädigten auch durch die Kapitalerträge Vorteile verschaffen. Da die Inflationsrate aktuell kräftig steigt aber die Sparzinsen im Negativbereich verbleiben, muss die Höhe des Schmerzensgelds angepasst werden. Anders lässt sich die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes nicht weiterhin gewährleisten.
Weitere Urteile
Schmerzensgeld in Euro | Urteil | |
800.000 |
OLG Oldenburg, Urteil vom 18.03.2020, Az. 5 U 196/18 | |
500.000 + 300.000 |
LG Gießen, Urteil vom. 06.11.2019, Az. 5 O 376/18 | |
700.000 | LG Aachen Urteil v. 30.11.2011, Az. 11 O 478/09 |