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Das neue Kaufrecht ist da!

Am 01.01.2022 ist nicht nur ein neues Jahr, sondern auch eine neue Ära des Kaufrechts angebrochen. Was für Verbraucher mehr Rechte mit sich bringt, ist für Kfz-Betriebe insbesondere mit höherem Aufwand und gesteigerten Risiken verbunden. Auswirken wird sich dies insbesondere auf den Handel mit Gebrauchtfahrzeugen. Was sind wichtigsten Neuerungen?
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23.12.2021
ca. 6 Minuten
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Am 01.01.2022 ist nicht nur ein neues Jahr, sondern auch eine neue Ära des Kaufrechts angebrochen. Was für Verbraucher mehr Rechte mit sich bringt, ist für Kfz-Betriebe insbesondere mit höherem Aufwand und gesteigerten Risiken verbunden. Auswirken wird sich dies insbesondere auf den Handel mit Gebrauchtfahrzeugen.

Was sind wichtigsten Neuerungen?

Am relevantesten dürften die umfassende Ausweitung der Informationspflichten zu Gunsten von Verbraucherkunden sein, darüber hinaus die Ausweitung der Beweislastumkehr und die Aktualisierungspflicht für Kaufsachen mit digitalen Elementen.

Das Problem liegt im Detail

Für das Geschäft mit Neufahrzeugen und im Bereich B2B sind dabei genauso wenige Probleme zu erwarten, wie für den Bereich C2C. Für Geschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern gelten künftig allerdings zwingende und einschneidende Regeln. So wird der Gebrauchtwagenhandel zum Beispiel auf die Klausel „gekauft wie besehen“ ab dem 01.01.2022 verzichten müssen. Außerdem wird es ohne Bedeutung sein, ob ein Käufer aufgrund eigenen Wissens um bestimmte Mängel weiß. Die Vorschrift „Kauf in Kenntnis eines Mangels“ ist künftig nicht mehr auf Verbraucherverträge anwendbar. Dies gilt für alle „Abweichungen von der üblichen Beschaffenheit“, wie es im Gesetzestext heißt und damit eben auch für offensichtliche Mängel. Der EU-Gesetzgeber will, dass dem Verbraucher vor seiner Kaufentscheidung in aller Deutlichkeit vor Augen geführt wird, dass er sich für eine Kaufsache interessiert, die nicht der üblichen Beschaffenheit entspricht.

Was bedeutet das genau?
Ab dem 01.01.2022 muss der Verbraucher vom Händler in einem gesonderten Formular eigens auf jede einzelne Abweichung hingewiesen werden. Besichtigung und Probefahrt werden zwar auch weiterhin für den Verkaufsprozess von Bedeutung sein; für den Ausschluss von Mängeln verlieren sie dagegen ihre Bedeutung. Entscheidend ist, dass der Verkäufer den Käufer – zeitlich hinreichend vor dem Vertragsschluss – umfassend über alle Abweichungen der Kaufsache vom objektiven Standard informiert. Bei Gebrauchtwagen können dies z.B. Vorschäden, Defekte, aber auch Kratzer und Schrammen, bei Neufahrzeugen hingegen Minderausstattungen gegenüber einem Vorführfahrzeug sein. Im stationären Handel kann dies nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Aushändigung eines Informationsblatts, welches vom Kaufinteressenten hinsichtlich jeder einzelnen Abweichung zu quittieren und insgesamt zu unterschreiben ist. Im Online-Handel kann der Händler seine Informationspflicht über eine vorgeschaltete Webseite erfüllen, deren Kenntnisnahme der Interessent ebenfalls bestätigen muss. Zudem sind alle Abweichungen aus dem vorvertraglichen Informationsschreiben auch im Vertrag noch einmal einzeln ausdrücklich und gesondert zu wiederholen, also insbesondere drucktechnisch hervorgehoben – doppelt hält besser….

Ganz konkret: Hatte ein Kunde in einem Fahrzeug ohne Lenkrad gesessen und dies später gekauft, konnte er sich – nach bisherigem Recht – nach Abschluss des Kaufvertrags zwar darüber beklagen, dass das Lenkrad fehlt. Mängelgewährleistungsrechte konnte er aus dem Fehlen des Lenkrades indes nicht herleiten, denn er hat das fehlende Lenkrad ja bei Kaufvertragsschluss gekannt. Ab dem 01.01.2022 ist das anders. Der Verkäufer muss den Verbraucher dann – trotz der Offensichtlichkeit des fehlenden Lenkrades – ausdrücklich darauf hinweisen „Übrigens, beim Auto fehlt ein Lenkrad. Wollen Sie trotzdem kaufen? Dann bitte hier quittieren.“ Auch im späteren Kaufvertrag muss dann enthalten sein „Fahrzeug wird ohne Lenkrad verkauft“. Erfolgt der ausdrückliche Hinweis nicht, dann kann der Käufer sich – bei seit dem 01.01.2022 geschlossenen Verträgen – nach dem Kaufvertragsschuss darüber beschweren, dass ein Lenkrad fehlt und anschließend Mängelrechte geltend zu machen, also zum Beispiel die Nachbesserung.
Das Beispiel mit dem Lenkrad ist natürlich überzeichnet und wird in der Praxis wohl so kaum vorkommen. Anders wird es sich dagegen wohl bei allen übrigen negativen Abweichungen, also bei reparierten oder unreparierten Vorschäden, Kratzer oder Dellen verhalten. Es ist künftig vollkommen egal, wie sichtbar dieser Mangel für den Käufer vor Vertragsschluss war. Wurde nicht vor Vertragsschluss eigens darauf hingewiesen, und wurde der Zustand nicht auch im Kaufvertrag noch einmal ausdrücklich und gesondert wiederholt, dann kann der Kunde sich später auf diesen Mangel berufen, wenn er Verbraucher ist.
Das mag furchtbar kompliziert und formalistisch klingen, und das ist es auch. Aber so funktioniert halt Verbraucherschutz nach dem Willen der EU.

Hat es mit den gesteigerten Aufklärungspflichten sein Bewenden?

Das wäre schön. Aber bei „Waren mit digitalen Elementen“, salopp gesagt, bei allen Waren mit einem Chip, wird dem Handel eine gegenüber den Kunden kostenfrei zu erfüllende Pflicht zur Softwareaktualisierung und entsprechender Unterrichtung auferlegt. Als Konsequenz müssen Betriebe sich markenübergreifend über die Bereitstellung von Updates für jedes verkaufte Fahrzeug informieren sowie ihre Kunden entsprechend unterrichten. Das betrifft nicht nur das Motorsteuergerät, sondern auch das Navi und alle anderen Bauteile, die updatefähig sind. Außerdem muss das Update kostenfrei aufgespielt werden. Der Gedanke, dass Gebrauchtwagenhändler sich markenorientiert umstellen oder spezialisierten Plattformen anschließen werden, ist daher alles andere als abwegig.
Die gute Nachricht daran lautet: Der Händler kann diese Aktualisierungspflicht ausschließen, und zwar nach dem bereits bekannten Muster. Er muss dem Kaufinteressenten also vor dem Kaufvertragsschluss eigens in einem Formular darauf hinweisen, dass er beabsichtigt, die Aktualisierungspflicht auszuschließen. Das muss der Kaufinteressent quittieren. Im Kaufvertrag muss dann noch einmal ausdrücklich uns gesondert, also drucktechnisch hervorgehoben, ebenfalls vereinbart werden, dass der Händler für dieses Fahrzeug keine Aktualisierung schuldet. Aber, und das ist der schlechte Teil der Nachricht, mal ganz ehrlich, wer kauft denn ein Fahrzeug von einem seriösen Gebrauchtwagenhändler, wenn der sämtliche Aktualisierungspflichten ausschließt? Das wird doch vermutlich nur im absoluten Billig-Bereich möglich sein, aber ganz sicher nicht bei jüngeren Gebrauchten.

Ändert sich etwas bei der Gewährleistungsfristen?

Für Gebrauchtwagen kann die Gewährleistungsfrist auch weiterhin auf ein Jahr verkürzt werden. Der Wehrmutstropfen ist allerdings, dass der Käufer auch hier vorher und eigens umfassend informiert werden muss (mit entsprechender Bestätigung) und die Verkürzung der Frist ausdrücklich und gesondert vereinbart im Kaufvertrag werden muss (§ 476 Abs. 2 BGB – neu). Die Aufnahme dieser Regelung in den AGB reicht künftig nicht mehr aus.

Beweislastumkehr

Auch bei der Beweislastumkehr stärkt die EU die Rechte der Verbraucher zusätzlich. Beim Verbrauchsgüterkauf wird die Frist für die Beweislastumkehr künftig von 6 auf 12 Monaten angehoben. Der Händler muss dann bei auftretenden Mängeln innerhalb dieser 12 Monate beweisen, dass keine Abweichung, sondern z.B. normaler Verschleiß vorliegt oder der Käufer den gerügten Zustand selber herbeigeführt hat. Da dies oft nur schwer oder gar nicht möglich ist, insbesondere da Beweiserleichterungen fehlen, wird der Handel die Sache überwiegend auf seine Kosten reparieren, bzw. reparieren lassen müssen. Vermeiden lässt sich dies nur durch eine akribische Dokumentation des Zustands des Fahrzeugs vor dem Verkaufszeitpunkt und den Abschluss spezieller Garantieversicherungen. Da sich die Mehraufwendungen in der Preisfindung niederschlagen müssen, werden die Preise für Gebrauchtfahrzeuge voraussichtlich signifikant steigen.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Hat ein Käufer einen Mangel angezeigt, muss der Händler unmittelbar reagieren und einen Termin zu Prüfung anbieten. Versäumt er dies oder beseitigt er den Mangel nicht innerhalb einer angemessenen Frist, kann der Käufer künftig – auch ohne nochmalige Aufforderung – weitere Rechte geltend machen. Neu ist zudem, dass bereits die Mitteilung an den Verkäufer die Frist in Gang setzt. Da die Länge der Frist indes nicht definiert ist, existiert hinreichendes Konfliktpotential und Betriebe sollten schon deshalb zeitnah re- und agieren. Wer sich zu viel Zeit lässt, läuft Gefahr, dass der Kunde das Recht zur Minderung geltend macht, das Fahrzeug anderweitig instandsetzen lässt und die hierfür getätigten Aufwendungen ersetzt verlangt oder gar vom Vertrag zurücktritt.
Die Nachbesserung sollte übrigens bereits auf Anhieb gelingen. Denn ab dem 01.01.2022 können Verbraucher bereits nach einem einzigen Fehlschlagen unmittelbar vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz verlangen. Bislang gilt die Nachbesserung erst ab dem zweiten erfolglosen Nachbesserungsversuch als fehlgeschlafen. Dies gilt übrigens auch bei besonders schwerwiegenden Mängeln oder wenn die Nachbesserung verweigert worden ist.

Zusammenfassung

Das neue Kaufrecht hat es in sich. Auf den Handel kommen ein hoher zusätzlicher Aufwand und erhebliche Kosten und Risiken zu. Es wird sowohl die Kosten für den Gebrauchtwagenhandel als auch die Preise der gehandelten Fahrzeuge weiter in die Höhe treiben. Zudem wird voraussichtlich sowohl die Zahl der gehandelten Fahrzeuge als auch die der Gebrauchtwagenhändler zurückgehen. Was auf den ersten Blick als ausschließlich negativ erscheint, kann sich schlussendlich aber als positiv zumindest für die Werkstätten erweisen. Denn wenn die Preise für gebrauchte Fahrzeuge steigen, werden zwangsläufig auch die Wiederbeschaffungswerte höher ausfallen. Die Folge wären weniger Total- und mehr Reparaturschäden im Unfallbereich.

Ob sich Geschäfte mit niedrigpreisigen Gebrauchtwagen noch lohnen hängt sicher von dem jeweiligen Geschäftsmodell ab. Auf jeden Fall sollten Gebrauchtfahrzeuge aber, wenn sie für den Wiederverkauf und nicht für die Verschrottung bestimmt sind, bereits im Vorfeld – idealerweise schon bei der Hereinnahme – inspiziert und mit einer detaillierten Dokumentation versehen werden. Wer dies versäumt, muss mit Ungemach rechnen.

Wer zu dem Thema an einer Vertiefung interessiert ist kann sich gerne unser kostenloses Webinar ansehen, welches über diesen LINK abgerufen werden kann. Und gerne können Sie uns bei ergänzenden Fragen natürlich ansprechen oder schreiben. Wichtig ist, dass Sie sich mit dem Thema auseinandersetzen, um Haftungsfallen zu vermeiden. Gerne unterstützen wir Sie dabei.
 
Henning Hamann
Geschäftsführer ETL Kanzlei Voigt

Bildnachweis: Antoni Shkraba/Pexels

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